Wenn du lügst
geordnete Bahnen zu bringen, und beim nächsten Mal würden wir vielleicht jemand für länger finden. Ich war eben verzweifelt. Aber das ist nicht alles. Um ehrlich zu sein, ich mochte sie - damals, meine ich.«
»Sie mögen sie jetzt nicht mehr?«
»Ich kenne sie jetzt noch nicht mal mehr«, sagte er verbittert. »Ich weiß nicht …« Er schüttelte den Kopf. »Jedenfalls schien es zu funktionieren, zumindest anfangs. Sie war gut in ihrem Job und im Umgang mit
ihren Kollegen. Sie war beliebt. Sie konnte die Dinge erledigen, ohne jemand vor den Kopf zu stoßen, und sie hatte wirklich Humor. Ich kann zwar nicht behaupten, dass sie hier je enge Freunde gehabt hätte, aber das ist in Ordnung für eine Büroleiterin. Und sie war kreativ. Sie machte sogar Vorschläge für Änderungen an den Anzeigen, und die waren gut. Tatsächlich habe ich ernsthaft darüber nachgedacht, dass wir selbst Anzeigen entwerfen könnten, indem ich ein paar Leute anstellen und Jena in diesem Bereich involvieren würde, als es mit ihr auf einmal rapide bergab ging.«
Er starrte jetzt in die Ferne, und seine Pupillen bewegten sich hin und her, während er sich erinnerte. Als er nicht weitersprach, fragte ich leise: »Was ist passiert?«
Er sah zu mir und kehrte in die Gegenwart zurück. »Anfangs ist mir nichts aufgefallen, obwohl es das vielleicht hätte tun sollen. Ich bin ziemlich beschäftigt und bestimmt auch nicht der aufmerksamste Beobachter. Meine Frau hat sich mal die Haare gefärbt, und selbst das habe ich nicht bemerkt. Sie macht mir deswegen immer noch die Hölle heiß. Jedenfalls ist irgendwann eine unserer Außendienstmitarbeiterinnen zu mir gekommen und hat mich gefragt, was mit Jena los sei. Ich wusste nicht, wovon sie sprach. Sie wollte wissen, ob mir nicht aufgefallen wäre, dass Jena plötzlich bei jedem Wetter lange Ärmel trägt. Ich hielt sie für verrückt. Das Büro war klimatisiert. Warum sollte Jena keine langen Ärmel tragen, wenn sie wollte, aber die Mitarbeiterin meinte, ich solle rausgehen und mir ihre Hände ansehen. Ich fragte sie, wonach ich Ausschau halten solle, aber sie sagte: ›Sehen Sie sie sich einfach an.‹
Ich tat es, und ihre Hände waren vollkommen schwarz und blau. Jemand musste sie nach unten gedrückt und auf sie eingeschlagen haben. Gott allein weiß, was sie unter diesen langen Ärmeln verborgen hielt, aber Hände kann man nicht verstecken. Sie sagte, es wäre nichts, sie sei gestürzt. Ich bin kein Arzt, aber ich kann mir nicht vorstellen, wie man sich durch einen Sturz solche Verletzungen zuziehen könnte. Sie waren derart geschwollen, dass sie sie kaum bewegen konnte. Ich denke, ein paar Knochen waren gebrochen. Anschließend wurde es immer schlimmer.
Mehr Blutergüsse, mehr langärmelige Blusen, und dann hat sie eines Tages ihren Kopf zur Seite gedreht, und ich habe einen Abdruck um ihren Hals entdeckt. Es gab einfach keine Möglichkeit, wie das passiert sein könnte, außer dass ihr jemand etwas um den Hals geschlungen und zugezogen hatte. Da bin ich ausgerastet. Meine Frau arbeitet in einer Beratungseinrichtung für Missbrauchsopfer, und ich hatte sie schon vor einiger Zeit eingeweiht. Ich rief sie an, und sie kam ins Büro. Wir versuchten beide, mit Jena darüber zu sprechen, was überhaupt nichts brachte. Also informierte ich die Polizei. Ein Freund von mir ist Detective, und auch er hat versucht, mit ihr zu reden. Sie weigerte sich. Es kam nicht das Geringste dabei heraus, aber ich glaube, dass wir sie an diesem Tag fast verloren hätten. Ich glaube, dass sie kurz davorstand, zu kündigen. Ich glaube, dass sie es getan hätte, wenn sie ihm nicht anschließend von der Kündigung hätte erzählen müssen.
Also zogen wir uns zurück, größtenteils zumindest. Manchmal kann ich einfach nicht aus meiner Haut, und
dann versuche ich wieder, mit ihr zu reden - ich weiß nicht, was ich sonst tun könnte -, aber sie stellt sich taub. Sie antwortet mir noch nicht mal mehr, sondern hält den Kopf nach unten und tut so, als hätte ich nichts gesagt.
Das Schlimmste daran ist - falls es etwas Schlimmeres gibt, als herauszufinden, dass jemand stranguliert wird -, das Schlimmste ist, was aus ihr geworden ist. Sie hat sich in eine Art Zombie verwandelt. Sie redet mit niemand, es sei denn, sie ist dazu gezwungen. Ihre Pupillen sind die meiste Zeit erweitert, und ich weiß, dass sie Drogen nimmt. Ich sollte sie deswegen und aufgrund der Tatsache, dass sie das ganze Büro kirre macht,
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