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Wenn du lügst

Wenn du lügst

Titel: Wenn du lügst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Salter
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dem Bild von Lily hinten auf dem Motorrad vor meinem geistigen Auge ging ich zurück ins Haus. Es war das erste Mal, dass ich sie hatte lächeln sehen.

    Als Betsy zurückkam, brachte sie ein anderes Mädchen mit, oder zumindest wirkte es so. Lilys Augen strahlten, und sie redete, sprach tatsächlich in ganzen Sätzen. Ihre Wangen waren rot, und ihr stacheliges Haar lag flach an ihrem Kopf. Ihre Gesichtsmuskeln wirkten entspannter, und in ihren Augen blitzte kindliche Aufregung. Sie redete ununterbrochen von dem Motorrad und gestikulierte wild, während sie beschrieb, was sie auf Blackbeard’s Isle gesehen und gekauft hatte. Mir fiel auf, dass ich sie nie zuvor mit den Händen hatte reden sehen,
und fragte mich, warum das so war. Sie musste wirklich Schreckliches durchgemacht haben.
    Betsy hatte sie auf eine Inseltour mitgenommen, mit dem Schwerpunkt Shopping. Sie hatten jedoch nur ein Geschäft gefunden, das geöffnet hatte, ein Kleinkaufhaus, welches neben Lebensmitteln auch Kleidung und Drogerieartikel verkaufte. Die Sachen, die sie erstanden hatten, würden Lily durch die nächsten paar Tage bringen, trotzdem informierte sie mich, dass Betsy gesagt habe, ich solle zum Zwecke einer echten Shopping-Tour sofort mit ihr aufs Festland fahren, also wie wär’s gleich heute Nachmittag? Mir dämmerte, dass ich diesen Satz noch öfter hören würde: Betsy hat dies gesagt; Betsy hat jenes gesagt. Lily aß sogar mit uns zu Mittag und schaffte trotz ihrer Behauptung, tagsüber nicht zu essen, zwei ganze Sandwichs. Anschließend schnappte sie sich den Stapel Zeitschriften, die sie gekauft hatte, und verschwand in ihrem Zimmer.
    »Meldest du sie in der Schule an?«, fragte Betsy.
    »Sobald die nötigen Papiere von Jena da sind«, erwiderte ich. »Ich habe Jenas Chef bereits gebeten, sie für mich zu besorgen. Ich brauche Lilys Geburtsurkunde und eine Übertragung der Vormundschaft. Dave hat versprochen, sich darum zu kümmern - vorausgesetzt, Jena kommt zur Arbeit zurück. Wer weiß, ob Jerry sie lassen wird. Ich will gar nicht daran denken, welchen Preis sie hierfür zahlt.«
    Betsy schüttelte den Kopf. »Wie kann sich ein Mensch nur so verlieren?«
    Ich antwortete nicht, weil ich es selbst nicht wusste. »Was hast du mit Lily gemacht?«, fragte ich. »Du hast
ein beinahe menschliches Wesen zurückgebracht.« Ich fing an, die Teller abzuräumen. Es war Frühling, und die Fenster standen offen, und irgendwie keimte in mir plötzlich die Hoffnung auf, dass ich das hier überleben könnte.
    »Ich will dich nicht kurz abfertigen, Mädchen«, sagte Betsy, »aber man muss einfach ein Händchen dafür haben.« Ich lachte. Es war genau das, was mein Großvater gesagt hatte, als ich wissen wollte, wie er die Segel an seinen Modellschiffen schnitzte, so dass sie aussahen, als wären sie aus Stoff.
    Wir überließen das Geschirr sich selbst und setzten uns draußen unter Großmutter, damit Betsy rauchen konnte. »Betsy, ich muss mir immer wieder sagen, dass sie Jenas Tochter ist.«
    »Ich weiß. Aber das, was du jetzt siehst, ist nicht alles.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Sie hat dich angerufen. Warum sollte sie das tun, wenn sie der knallharte, neunmalkluge Teenager wäre, für den du sie hältst?«
    Ich erwiderte nichts. Es stimmte, dass ich das Shoppinghäschen, das seine Mutter hasste, nicht mit der Stimme am Telefon in Einklang bringen konnte.
    »Breeze, alles, was du siehst, ist die typische Maske, die sich die Jugendlichen überstülpen. Du bist Lily noch gar nicht begegnet. Es ist wie eine Art Altersschablone. Sie haben alle diese Frisuren, die CD-Player und die Klugscheißer-Sprache. Es dauert Jahre, bis der wahre Mensch dahinter hervorblinzelt.«
    »Und es ist wirklich immer jemand hinter der Maske?«

    »Nicht immer. Mehr als nur ein paar von ihnen sind tatsächlich nichts als leere Hüllen. In diesem Fall glaube ich das allerdings nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Ich wiederhole: Sie hat dich angerufen. So etwas kostet Überwindung.« Sie seufzte. »Betrachte es mal von ihrer Warte aus. Ihre Rettungsleine ist eine Frau, von der sie glaubt, dass sie ihrer Mutter hätte helfen können, es aber nicht getan hat«, sagte sie unverblümt. »Wenn diese Freundin dann endlich auftaucht, lässt sie ihre Mutter wieder im Stich und sorgt auch noch dafür, dass die mit ihr dasselbe tut.«
    »Das habe ich nicht …«, widersprach ich mit erhobener Stimme.
    »Bemüh dich nicht«, sagte Betsy. »Es geht nicht um Logik. Wie könnte

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