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Wenn du mich brauchst

Wenn du mich brauchst

Titel: Wenn du mich brauchst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jana Frey
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›Ziehen Sie sich zurück. Schweigen Sie und erfahren Sie, was Ihnen die Stille offenbart.‹ Und die Stäbe? ›Auf Sie wartet eine Last, die Sie an Ihre Grenzen bringt …‹«, murmelte Rosie und tippte auf die Stäbekarte, als liege darin der Schlüssel zu ihren mannigfaltigen Problemen.
    »Rosie, bitte …«, sagte Dorothea gereizt.
    »Mutter, das hier ist mein Leben«, antwortete Rosie ungewohnt heftig und sammelte im nächsten Atemzug die Karten ein.
    »Das Leben hat man nie für sich alleine. Man teilt es«, konterte Dorothea. »Und dieses Mädchen geht uns alle an. Auch mich und Herrmann. Sie ist auch ein Teil von uns, vergiss das nicht. – Was ist übrigens überhaupt mit diesem unehelichen Kind, das Lawrence da bei seinen Sexstreifzügen gezeugt hat? Willst du dich immer noch nicht scheiden lassen, Rosie? Was muss er noch tun, ehe du reagierst?«
    Sie redete, als sei Leek nicht da.
    Das alles drehte sich im Kreis. Es war nicht zum Aushalten. Moon war noch nicht aus seinem Zimmer gekommen.
    Rosie fing an zu weinen, Leek nahm sie in den Arm, mein Großvater goss sich seinen deutschen Kaffee ein und meine Großmutter scheuchte Godot in den Garten, weil er frühstückshungrig auf den Holzboden sabberte.
    Ich schnappte mir das Telefon und wählte Kendras Nummer.
    »Kannst du mich abholen?«, bat ich. »Ich muss hier raus, sonst drehe ich durch.«
    »Okay«, sagte Kendra. Morgen war meine Fahrprüfung. Nur schade, dass ich kein Geld für ein eigenes Auto hatte.
    »Ich schenke dir die Hälfte von meinem«, sagte Kendra achselzuckend, als wir den Hillcrest Drive hinter uns ließen und Richtung Meer fuhren. Die Luft roch nach den vielen hohen Eukalyptusbäumen, die den Boulevard zu beiden Seiten säumten.
    »Danke«, murmelte ich, lehnte mich zurück und lächelte ihr, so gut es ging, zu.
    Knapp vierundzwanzig Stunden später hielt ich meinen Führerschein in der Hand. Ich starrte ihn immer wieder an. Ein goldener Tag.
    »Gratuliere«, sagte Kendra und umarmte mich.
    »Und was machen wir jetzt?«, fragte ich.
    »Kontrolltermin beim Zahnarzt, leider«, sagte Kendra. »Aber ich kann das Auto meiner irren Mutter nehmen. Sie hat Hexenschuss und sitzt frustriert zu Hause. – Du kannst mit dem Honda ein paar Highways abfahren, wenn du willst. Nimm doch Moon mit. Dem fällt bestimmt schon wieder die Decke auf den Kopf, wie ich ihn kenne …«
    »Danke, du bist ein Schatz«, sagte ich.
    »Weiß ich doch«, antwortete Kendra. »Aber sag das mal Brenda Flayderman, der Frustrierten. Die sieht das ganz anders, fürchte ich. Gestern hat sie mir an den Kopf geworfen, dass sie den Sohn von ihrer bescheuerten Freundin Marge praktisch angefleht hat, mich um ein Date zu bitten, aber der Knabe hat entsetzt abgelehnt und gesagt, er geht nicht mit Emanzen aus.«
    Kendra lachte schallend und überließ mir den Honda und den dazugehörigen Autoschlüssel. »Fahr ruhig Beulen rein, die Karre ist auf meinen Dad versichert. Der stinkt vor Kohle.«
    Ich holte Moon nicht ab. Was hatte dieses Punkmädchen doch gesagt? Ich würde ihn dominieren? Er sei mein Schatten?
    »Wenn sie meint. Wenn er meint«, murmelte ich achselzuckend und startete behutsam den Motor. Egal, was Kendra gesagt hatte, ich wollte, wenn möglich, keine Beulen in ihren Wagen fahren. Zuerst kurvte ich ziellos eine Weile herum und genoss meine neue Freiheit, dann parkte ich kurz entschlossen beim La-China-Restaurant und aß dort eine Portion vegetarische Wontons.
    Moon liebte Wontons und ich dachte, während ich aß, über ihn und das, was er gestern Abend am Feuer gesagt hatte, nach.
    Er war nicht mein Bruder, war es nie gewesen. Warum hatte er das so betont? Ich liebe nur dich und Rosie.
    Klar liebten wir uns, aber was war jetzt, nach diesem Verwechslungsdesaster, anders für ihn?
    Theoretisch konnten wir jetzt, da nicht länger blutsverwandt, ein Paar werden. Es gab massenhaft Soaps dieses Inhalts.
    Aber – Moon und ich – ein Paar?
    Ich schüttelte verwirrt den Kopf.
    »Schmeckt es nicht? Soll ich etwas anderes bringen?«, fragte der Kellner besorgt und eilte an meinen Minitisch neben der schmalen Tür zur Küche.
    »Nein, alles okay«, beruhigte ich ihn hastig und ertränkte meine Wontons in Sojasoße.
    Und plötzlich wusste ich, was ich als Nächstes tun würde.
    Zu Hause, zwischen Rosies Zu-erledigen-Kram, lag seit Tagen dieses Infoblatt des Benjamin-Franklin-Transplantations-Zentrums, das wir bekommen hatten. Ein paar allgemeine Informationen bezüglich der

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