Wenn du mich siehst - Hudson, T: Wenn du mich siehst - Hereafter
Fußballen.
Ich schenkte ihm ein angespanntes Lächeln. Höchstwahrscheinlich ein nicht sehr überzeugendes.
» Alles in Ordnung?«, fragte er.
» Ja, klar.« Aus irgendeinem Grund kam meine Antwort recht heiser hervor. Instinktiv hustete ich los, um die Sache zu überspielen, woraufhin Joshua in Gelächter ausbrach.
» Weißt du, Amelia, das nehm ich dir nicht so ganz ab.«
» Es ist nur … es ist, na ja, mein erstes Mal im Zimmer eines Jungen.« Dann zuckte ich mit den Schultern und sagte einschränkend: » Glaub ich jedenfalls.«
Er lachte erneut, und mit nur wenigen kurzen Schritten durchquerte er das Zimmer und schlang die Arme um mich. Er legte die Hände auf die meinen, die immer noch hinter meinem Rücken ineinander verkrallt waren, und zog mich an sich, bis wir aneinandergepresst waren.
Jetzt waren wir einander so nah wie bei unserem Kuss. Vielleicht sogar noch näher. Ich fühlte mich am ganzen Körper, als könnte ich explodieren, herrlich und unkontrollierbar entzündet. Mein Atem beschleunigte sich, bis ich beinahe keuchte, und gleichzeitig geschah etwas völlig Unerwartetes.
Ich atmete tief ein, und mir schwindelte von der Plötzlichkeit einer tatsächlichen Sinneswahrnehmung.
Ein Geruch. Ein fantastischer Geruch – süß und moschusartig – drang auf mich ein. Nicht zart, aber dennoch reizvoll. Und vage vertraut.
Erst einen Augenblick später wurde mir klar, dass es der gleiche Geruch war, dem ich begegnet war, als ich früher am Tag beinahe mit Joshua in der Cafeteria zusammengestoßen wäre.
Entzückt starrte ich zu ihm empor. Sanft nahm er die Hände von den meinen und ließ mich los.
Auf der Stelle verschwand der Geruch. Ich holte noch einmal tief Luft. Nichts. Leere. Öde. Langsam atmete ich wieder aus und versuchte, die Erinnerung an den Geruch zu bewahren und mein Ausatmen nicht wie das enttäuschte Seufzen klingen zu lassen, zu dem es zu werden drohte.
Glücklicherweise fiel es Joshua nicht auf. Er lehnte sich gegen einen der Pfosten an seinem Bett zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Wieder sah er gespannt aus, wartete vielleicht auf meine Beurteilung seines Zimmers.
Ich faltete die Hände, diesmal weniger verkrampft, und sah mich um.
Wie in so einem alten Haus nicht anders zu erwarten, war Joshuas Zimmer klein, aber gemütlich. Das Zimmer wurde vor allem von seinem Himmelbett beherrscht. Mir gegenüber wies ein gewaltiges Fenster nach Süden, in den Nachthimmel. Darunter lockte eine breite Fensterbank, die mit einladenden blauen Kissen bedeckt war.
Dann war da noch das auffallendste Merkmal des Zimmers: die Reihen schwarzer hölzerner Bücherregale, die die Wände säumten. Die Regale füllten das Zimmer so vollständig aus, dass ich keinen Zentimeter Wand erblicken konnte außer einem Stückchen über dem Bett und einem schmalen Rand um das Fenster herum.
Trotz der vielen Möbel wirkte das Zimmer seltsamerweise nicht überfüllt. Die einzige richtige Unordnung verdankte es den Bücherregalen. Die Regale quollen buchstäblich über. Sie beherbergten reihenweise Bücher, außerdem Bücherstapel auf den Reihen sowie weitere Bücher vor den Reihen. Ledereinband lehnte an Taschenbuch. Geknickte und innig geliebte Exemplare standen neben neuen, zur Lektüre bereiten. Die Bücher eines ganzen Lebens in das Zimmer eines Teenagers gestopft.
Ich ging zu dem Regal, das mir am nächsten war, und sah fragend zu Joshua zurück. Er beobachtete mich weiter, ohne etwas zu sagen, doch seine Lippen umzuckte ein Lächeln. Mehr Erlaubnis als diese Miene würde ich nicht erhalten, also strich ich mit den Fingern leicht über ein paar der Buchrücken.
» Du hast viel mehr Bücher, als ich hatte, Joshua.«
Er zuckte bescheiden mit den Schultern. » Bloß ein paar.«
» Ich kenne diese Titel«, murmelte ich verblüfft. » Viele von ihnen.«
» Das hab ich mir schon gedacht.«
Etwas an seinem Tonfall bewegte mich dazu, mich zu ihm umzudrehen. Seine Miene war noch sanfter geworden, besonders seine Augen. Wie er mich jetzt ansah … war mir gleichzeitig unbehaglich und glücklich zumute. Mir fiel kein Wort ein, um meinen Gefühlszustand zu beschreiben. Frohlockend kam dem Ganzen vielleicht am nächsten.
Bevor ich ihn fragen konnte, was er gerade dachte, räusperte er sich und verlagerte sein Gewicht an dem Bettpfosten. Die Arme hatte er jetzt nicht mehr verschränkt, sondern steckte eine Hand in seine Jeanstasche, während er sich mit der anderen durch das Haar fuhr: seine
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