Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)
spähte über die Schulter und sah, wie Mickey weinend den Kopf an Shanes Seite barg, der tröstend die Arme um sie legte.
»Bitte helfen Sie ihr.« Shane sah Tim an.
»Wir müssen ihr die Chance geben, aus eigener Kraft wieder gesund zu werden.« Tim breitete die Decke über den Käfig, um ihn abzudunkeln.
»Sie braucht …«, begann Shane, aber Tim unterbrach ihn.
»Komm.« Er half Mickey beim Aufstehen, dirigierte die beiden zur Tür. »Wir fahren in die Notaufnahme – wieder mal.«
»Zum Nähen«, erwiderte Mickey und sah Shane an. »Das hat für Sie oberste Priorität, oder?«
»Du hast es erraten.« Tim zog seine Jacke an. »Und jetzt ab – wir nehmen den Truck.«
Das Läuten des Telefons weckte sie auf.
Es war Tim, der aus der Notaufnahme anrief, und noch bevor sie richtig wach war, hörte sie Mickeys Namen und dachte, ihr bliebe das Herz stehen.
»Ist alles in Ordnung mit ihr?« Neve war bereits aus dem Bett und zog sich in fliegender Hast an.
»Ihr geht es gut. Es ist nur – es wäre besser, wenn Sie herkommen und sie abholen.«
Zwanzig Minuten später, nachdem sie viel zu schnell gefahren war, rannte Neve durch die Doppeltür aus Glas, direkt in Tims Arme, der im Warteraum stand. Er packte sie und hielt sie fest.
»Wir sollten uns zur Abwechslung mal anderswo treffen«, begrüßte er sie.
»Lassen Sie Ihre Witze! Dafür habe ich jetzt keinen Nerv.«
»Ihrer Tochter geht es gut, Neve.«
»Wo ist sie?« Neve blickte sich suchend um.
»Dort drinnen, mit ihrem Freund.« Tim deutete hinter sich auf den Schockraum.
»Freund? Sie meinen Freundin. Was ist passiert? Die beiden waren bei Jenna …!«
Tim führte sie zu einem Stuhl. »Na ja, sie waren am Strand.«
»Bestimmt nicht. Mickey wollte bei Jenna übernachten.«
»Mag sein, aber vorher waren sie bei einer Strandparty. Sie erinnern sich doch an die Strandpartys, oder? Jugendliche, Musik, Decken? Nun, diese Party ist ein wenig außer Kontrolle geraten. Mickey wurde ins Wasser geworfen …«
»Oh, mein Gott!«
»Es geht ihr gut«, sagte Tim schnell und legte ihr beschwichtigend die Hand auf den Arm, als könnte er sie so davon abhalten, völlig aus dem Häuschen zu sein.
Seltsamerweise funktionierte es. Neve spürte, wie sie ruhiger wurde.
»Sie ist nicht verletzt?«
»Nein. Sie war völlig durchgefroren, wie Sie sich vorstellen können; die Ärzte haben keinen Schock feststellen können, aber den Gipsverband erneuert – er war nass. Ihre größte Sorge gilt ihrem Freund.«
»Ihrer Freundin, meinen Sie. Jenna.«
»Ich meine Shane.«
»Moment mal … der Junge, der ihr geholfen hat, als sie den Fahrradunfall hatte?« Tim nickte. Neve sah sich im Warteraum um. »Wo sind seine Eltern?«
Tim zuckte die Achseln. »Wir haben versucht, sie zu benachrichtigen, aber es ging niemand ans Telefon. Allein ihm die Nummer zu entlocken, hat meine Geduld auf eine harte Probe gestellt. Der Junge war die ganze letzte Woche bei mir, musste gemeinnützige Arbeit leisten, aber ich hätte mehr als einen Tag gebraucht, um etwas über sein Leben zu erfahren. In diesem Punkt ist er verschlossen wie eine Auster. Aus den Gerichtsakten geht hervor, dass sein Vater seit langem tot ist. Kennen Sie seine Mutter?«
»Nur vom Sehen.« Shane war ein Jahr früher als Mickey eingeschult worden; seine Mutter war wesentlich jünger als die anderen Mütter und hatte im Gegensatz zu anderen Eltern nie an den schulischen Aktivitäten teilgenommen. Sie schien ihren Sohn sehr früh bekommen zu haben und es hieß, sein Vater sei gestorben, als Shane noch ein kleiner Junge war.
»Sie ist nicht aufzufinden«, sagte Tim. »Verschollen. Shane wird jemanden brauchen, der sich um ihn kümmert, wenn er entlassen wird.«
»Was? Was ist bei dieser Strandparty passiert, jetzt reden Sie schon!«
In diesem Moment eilte Mickey am Schwesternzimmer vorbei und rannte auf sie zu. Neve sprang auf, schloss sie in die Arme. »Mom! Es geht mir gut, mach dir keine Sorgen! Shane wurde verletzt, als er versucht hat, mir zu helfen, und die Eule auch! Ach, Mom …«
Neve hielt sie auf Armeslänge von sich. In ihrem Kopf drehte sich alles und sie hörte kaum zu. Es war Mickeys zweiter Besuch in der Notaufnahme, und das in weniger als einer Woche. Das war für ihr Leben mit Richard typisch gewesen. Ständig erhielt sie Anrufe, mit der Bitte, ihn abzuholen, in Bars, im Krankenhaus oder auf dem Schauplatz eines Unfalls, den er gehabt hatte, auf der Polizeistation. Seine Trinkerei und
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