Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)
seine Lügen hatten ihre Ehe und ihre Familie zerrüttet.
»Mickey, du hast mich angelogen. Du hast gesagt, du übernachtest bei Jenna.«
»Das hatte ich auch vor, Mom! Ich schwöre! Aber vorher waren wir bei einer Party …«
»Einer Strandparty – im Februar?«
»Ja. Die Jungs haben Feuer gemacht, zum Wärmen. Aber …«
»Ein Feuer am Strand?« Neve sah Tim an. »Das haben Sie erlaubt?«
»Ich wusste nichts davon. Kann aber nicht groß gewesen sein. Ich habe weder Flammen noch Rauch gesehen.«
»Das Holz war nass.« Mickeys Stimme klang eifrig und hilfsbereit. Neve hätte sie am liebsten geschüttelt.
»Habt ihr getrunken?«
»Ja, Mom – ich aber nicht.« Mickey wurde feuerrot und Neve wusste, dass sie log.
Neve blickte sie stumm an und Mickey gab klein bei.
»Nur einen Schluck, Mom. Ehrenwort – bitte sei nicht böse. Besonders, weil es so wichtige Dinge gibt. Wir müssen Shane helfen; wir müssen …«
»Erzähl du mir nicht, was wichtig ist, und sollte Shane der Grund dafür sein, dass du ins Wasser geworfen wurdest, möchte ich kein Wort mehr über ihn hören.«
Mickey rückte von ihr ab. Ihr Blick war traurig und vorwurfsvoll. »Du hast mir nicht zugehört. Ich sagte, dass Shane verletzt wurde, als er mir helfen wollte. Er hat mir das Leben gerettet, Mom.«
»Das kann ich bestätigen«, ließ sich Tim vernehmen.
»Wer war es dann?« Als Mickey schwieg, packte Neve sie an der Schulter und schüttelte sie. »Raus mit der Sprache!« Die Lippen zusammengepresst, schwieg Mickey beharrlich, aber Neve wusste, wie sie ihre loyale, gefühlsbetonte Tochter zum Sprechen bringen konnte. »Wenn schon nicht deinetwegen, dann Shane zuliebe.«
»Wie meinst du das?«
»Dein Freund ist in der Notaufnahme gelandet, weil dich jemand angegriffen hat. Sag mir seinen Namen – Shane zuliebe.«
»Shane zuliebe?«
Neve nickte.
»Josh Landry«, erwiderte Mickey, dann drehte sie sich um und lief zu der Kabine zurück, in der Shane notärztlich versorgt wurde. Neve sah ihr nach, außer sich vor Zorn.
»Das wird ein Nachspiel haben.«
»Die Polizei ist bereits verständigt. Sie ermitteln.«
»Ermitteln? Was soll das? Warum sind sie dann nicht hier?«
Tim schüttelte den Kopf, zuckte die Achseln. »Sie wollten Shane verhaften. Er ist in letzter Zeit so häufig mit dem Gesetz in Konflikt geraten, dass sie ihm diese Sache ebenfalls anlasten wollten – statt Josh Landry.«
»Warum sollten sie, wenn es nicht seine Schuld war?«
»Ich war nicht dabei. Aber allem Anschein nach ist er auf Josh losgegangen, als er sah, wie er ausfallend gegen Mickey wurde. Was glauben Sie, wen die Polizisten als Erstes auf dem Kieker haben? Einen Surfer, der von der Schule suspendiert wurde, oder einen Knaben aus reichem Hause, dessen Vater bekannt dafür ist, dass er mit Geld um sich wirft?«
»Ich möchte nicht, dass sich Mickey mit solchen Typen einlässt.« Neve war sich selbst nicht sicher, ob sie Josh oder Shane meinte. Sie hatte das Gefühl, als entglitte ihr alles. Vor allem ihre besonnene und achtsame Tochter, die Schwierigkeiten stets gemieden hatte und einen ausgeprägten Sicherheitsinstinkt besaß. Mickey liebte die Natur, war eine gute Schülerin und hatte aus eigener schmerzlicher Erfahrung gelernt, sich von Gleichaltrigen fernzuhalten, die nichts taugten. Selbst wenn Shane nicht allein dafür verantwortlich war, hatte er wohl eine entscheidende Rolle dabei gespielt, dass die Situation eskalierte.
»Waren Sie nie jung?«, fragte Tim.
»Doch, war ich.« Neve blickte hoch.
»Und, waren Sie nie auf einer Strandparty?«
»Doch«, gestand sie und dachte an mehr als eine Handvoll prekärer Erfahrungen. »Und ich hatte ein Faible für die bösen Buben.«
»Der Apfel fällt bekanntlich nicht weit vom Baum.« Er lächelte.
»Ich möchte ihr die Fehler ersparen, die ich gemacht habe.«
»Glauben Sie wirklich, dass so etwas möglich ist?«
»Mir bleibt gar keine andere Wahl. Sonst würde ich einige der Situationen, mit denen ich konfrontiert werde, nicht durchstehen.«
»Zum Beispiel in die Notaufnahme zitiert zu werden, um ihre Tochter abzuholen?«
Neve nickte. »Sie haben es erfasst.« Sie erinnerte sich an den Abend nach der Strandparty, als sie auf der gegenüberliegenden Seite des gleichen Raumes gesessen und auf Richard gewartet hatte, der genäht werden musste. Als ihr Blick auf den Stuhl fiel, glaubte sie beinahe, ihr früheres Selbst vor sich zu sehen: wild, überschwenglich, verliebt … Sie blickte
Weitere Kostenlose Bücher