Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)
zusammengekniffenen Augen an. »Und für den Fall, dass Sie ihn kennen, möchte ich nichts davon hören, verstehen Sie!«
»Tim …«
»Ich sagte es bereits – ich will nichts davon hören.«
»Ich bezweifle, dass er für Frank einen Spitznamen hat«, erwiderte sie leise. Doch Tim hörte sie nicht mehr: Er lief den Strand hinunter so schnell er konnte, als wäre er auf der Flucht – vor Neve, der weißen Feder, dem Pier, U-823, der ertrunkenen Besatzung und der Erinnerung an seinen wundervollen Sohn.
12
S hanes Mutter kehrte am Abend nach Hause zurück. Sie hatte ihre Schwester in North Carolina besucht und ihm aus einem Laden auf dem Militärstützpunkt ein T-Shirt mit der amerikanischen Flagge mitgebracht. Als sie die genähte Wunde an seinem Kopf bemerkte, erstarrte sie.
»Hattest du wieder einen Zusammenstoß mit deinem Surfbrett?«, fragte sie mit mühsam beherrschter Stimme.
Shane saß am Tisch und aß Cheerios. Mrs. Halloran hatte ihn hervorragend beköstigt – gestern ein Abendessen und heute ein Frühstück –, aber seither hatte er nichts mehr zu sich genommen und Cornflakes waren das Einzige, was er im ganzen Haus gefunden hatte. Er fühlte sich zittrig und benommen, eine Folge des Schlags auf den Kopf und der Nachricht, dass das U-Boot spätestens Mitte April weg sein würde … und der Nacht, die er in Mickeys Haus verbracht hatte.
»Nein, Ma«, erwiderte er.
»Wenn du den ganzen Winter über surfen willst, nur zu. Aber erwarte nicht, dass ich das gut finde! Du bist ganz alleine am Strand, bis zum Sommer; was ist, wenn dir etwas passiert? Dort ist niemand, der dir helfen kann.«
»Doch, der Ranger. Mr. O’Casey.«
»Darüber wird er sich sicher sehr freuen. Vor allem nach dem, was du mit dem Trailer angestellt hast …«
»Es war ein Truck.«
Seine Mutter schüttelte den Kopf und winkte ab. »Egal. Du hast Bewährung und die Auflage, gemeinnützige Arbeit zu leisten … hast du vor, gegen jedes Gesetz in Rhode Island zu verstoßen? Am Refuge Beach zu surfen, ist verboten, wie du weißt.«
»Sie werden mich deswegen nicht gleich einbuchten – das Gesetz ist blödsinnig und wurde außerdem noch nie vollstreckt.«
»Dass es dieses Gesetz gibt, hat seinen Grund.«
»Alle surfen dort.«
»Alle, die keine Bewährungsauflagen haben, an die sie sich halten müssen! Ich wünschte, Tante Corrie und Onkel Brad würden in unserer Nähe wohnen. Wenn dich Onkel Brad an die Kandare nehmen könnte …«
»Würde er als Erstes verlangen, dass ich meine Haare abschneide, ich weiß. Dann würde er mein Surfbrett verbrennen und mich ins nächste Rekrutierungsbüro schleifen. Und ich würde im Ausbildungslager Liegestütze bis zum Umfallen machen, wenn es nach ihm ginge.«
»Das ist immer noch besser, als mitten im Winter zu surfen und sich Kopfverletzungen zuzuziehen! Mein Gott, Shane! Du solltest doch am besten wissen, was passieren kann – ich finde es unverantwortlich von dir, dass du mir solche Sorgen machst. Ich sollte dich schnurstracks in einen Bus setzen, der dich ins Camp Lejeune bringt.«
Shane rührte seine Cheerios um und aß weiter. Er versuchte, die Aufschrift auf der Verpackung zu entziffern, um nicht aus der Haut zu fahren. Seine Mutter beugte sich über ihn, berührte die Stiche mit ihren kühlen Fingern.
»Warum tust du mir das an?«, fragte sie. »Kannst du dir nicht vorstellen, was für ein Gefühl das ist, zusehen zu müssen, wie du das Schicksal herausforderst, auf die gleiche Weise wie dein Vater?«
»Surfen ist mein Leben.«
»Das hat dein Vater auch immer gesagt. Je größer die Wellen, desto besser – er ist sogar während eines Hurrikans raus, obwohl er wusste, dass das Betreten der Strände verboten war und South County evakuiert wurde. Das ist töricht, Shane. Er glaubte, er sei mutig und cool, aber das war er nicht. Er hat mutwillig sein Leben aufs Spiel gesetzt; unser Leben zerstört – schau dir doch an, was aus uns geworden ist!«
Shanes Haut prickelte bei dem Gedanken an seinen Vater; er wünschte, er hätte ihn besser gekannt und wusste, dass er genauso war und auch bei Sturm surfen würde.
»Du bist ihm nachgesprungen, um ihn zu retten«, sagte er und sah seine Mutter an.
»Weil ich damals genauso töricht war. Wenn ich ertrunken wäre, hättest du beide Elternteile verloren.«
»Wie kommt es, dass du einen Surfer geheiratet hast und Tante Corrie einen Marineoffizier?«
»Weil nur eine von uns beiden einen halbwegs gesunden
Weitere Kostenlose Bücher