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Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition)

Titel: Wenn du mir vertraust: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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dunkelblaues Hemd und eine Lederjacke, die von seinen breiten Schultern ausgefüllt wurde. Er sah aus wie ein smarter, lässiger College-Professor mit einer Vorliebe für Kraftsport.
    »Ich möchte mit Ihnen nach Newport«, eröffnete er ihr. Zwischen den Bäumen hindurch bogen sie auf die Route 1 – dann fuhren sie weiter nach Norden statt zum Strand.
    »Newport ist wunderbar.« Sie dachte an ihr Lieblingsrestaurant am Kai.
    »Mit einer kurzen Zwischenstation.«
    Sie nickte. Aus dem Radio erklang leise Musik – was Neve ungeheuer genoss; es erinnerte an Jugend und Romantik. Dieser Gedanke war ihr seit langem nicht mehr gekommen, und sie blickte angestrengt aus dem Fenster, damit Tim sie nicht lächeln sah und sich fragte, warum solche Kleinigkeiten sie so glücklich machten.
    Sie überquerten die Jamestown Bridge und Conanicut Island; an der Newport Bridge warf Tim eine Metallmarke in den Korb für die Maut und fuhr auf die Brücke. Neve hatte das Gefühl, abzuheben – das Panorama war atemberaubend: der weit gespannte Bogen über die Narragansett Bay, der spektakuläre Blick auf den südlichen Teil der Stadt, die Kais, die Häuser und der weiße Kirchturm der Trinity Church, Fort Adams, die Boote im Hafen, die weißen Schaumkronen der Wellen und in der Ferne, wie eine Schildkröte am Horizont, Block Island, weit draußen im Atlantik.
    »Da drüben ist Block Island«, sagte sie.
    »Es ist ein klarer Spätnachmittag, da hat man einen wunderbaren Ausblick auf die Insel.«
    »Waren Sie schon oft dort?«
    »Ja. Ziemlich oft. Als Junge hat mich mein Vater häufig mitgenommen; wir hatten ein Boot, mit dem wir fischen gingen. Wir legten im Old Harbor an, aßen im Ballard’s Meeresfrüchte und blieben über Nacht. Danach fuhren wir immer zum East Ground …«
    »East Ground?«
    »Die Untiefen und der Unterwassergraben. Die Stelle, die U-823 ansteuerte, um auf Tauchstation zu gehen.«
    »Ist dieser Graben tief?«
    »Sehr. In der Eiszeit wurde die gesamte Region sauber abgeschliffen – als der Gletscher schmolz, schob die vordere Kante eine Geröllfront vor sich her, eine Gletschermoräne von hier bis nach Nantucket. Aus dem oberen Teil entstanden die Inseln – Block Island, Martha’s Vineyard … und aus dem unteren Riffe und Felsbänke wie East Ground, die Untiefe, die nur neunzehn Faden misst.«
    »Wissen Sie das alles von Ihrem Vater?«
    »Nein.« Tim schüttelte des Kopf, als sie die Brücke verließen und an Newport vorbei in östliche Richtung fuhren. »Er war zwar bei der Navy, aber das, was er mir beibrachte, hatte ausnahmslos mit Vögeln und allem zu tun, was fliegt. Um etwas über die See zu erfahren, musste ich aufs College gehen.«
    »Haben Sie Ozeanographie studiert?«
    »Ja. Ich denke, ich sah darin eine Möglichkeit, meinem Vater näherzukommen, besser zu verstehen, was ihn umtrieb. Ich wollte wissen, was diese Fahrten zum East Ground bedeutet hatten, und wusste, dass sie irgendwie mit dem Tiefseegraben zusammenhingen.«
    »Tief genug für U-823, um sich darin zu verstecken.«
    »Genau. Aber das U-Boot ist nie so weit gekommen.«
    »Sie sagten, Ihr Vater habe nie darüber geredet.« Sie dachte daran, wie sie mit Tim auf dem Treibholz gesessen und er die Flucht ergriffen hatte. »Hat er sich Ihrer Mutter anvertraut?«
    Tim schüttelte den Kopf. »Kommunikation wurde bei uns zu Hause nicht gerade großgeschrieben. Zum Glück stammte meine Mutter aus einer großen Familie. Sie hatte vier Schwestern, die alle in der Nähe wohnten. Rückblickend habe ich ein schlechtes Gewissen. Das Zusammenleben mit meinem Vater und mir war bestimmt nicht leicht, denn wir waren beide nicht besonders gesprächig. Aber sie wirkte nie unglücklich – sie hatte viel Sinn für Humor und lachte gern. Wozu wir ihr mit Sicherheit nur selten Gelegenheit boten.«
    Neve dachte darüber nach, wie das Schweigen und die Freudlosigkeit eines Menschen allen anderen die Luft abschnüren, die gesamte Atmosphäre im Haus vergiften konnten. Bevor Richard sie verlassen hatte, als es ihm am schlechtesten ging, konnten Tage vergehen, ohne dass es zu einem echten Gespräch kam. Er saß am Esstisch, sagte kaum ein Wort, während Mickey und sie jedes Wort auf die Goldwaage legten, um ihn nicht zu reizen.
    »Woran denken Sie?«, fragte Tim.
    »An meine Ehe; ich weiß, was es bedeutet, so zu leben.« Sie hatte fast das Gefühl, Richard zu verraten, obwohl sie schon lange getrennt waren. Aber man hatte sie dazu erzogen, nicht über das zu

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