Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie
seitenlang darüber geschimpft wurde, wie beschissen die Highschool und wie furchtbar alle Leute waren. Der Hacker hatte die E-Mails fast allen in der Schule weitergeleitet, nachdem er sie mit einer neuen Betreffzeile versehen hatte: Künftige Amokläufer an Amerikas Schulen. Ich schaudere, als ich daran denke, wie leicht man sich vollkommen in Leuten täuschen kann â man sieht einen winzigen Teil und verwechselt das mit dem Ganzen, man sieht die Ursache und denkt, es ist die Wirkung oder andersrum. Und obwohl ich jetzt schon zum fünften Mal in sechs Tagen bei Kent zu Hause bin, bin ich desorientiert, verwirrt von der hellen Badezimmerbeleuchtung und Juliets ausdruckslosem Gesicht und den Partygeräuschen, die durch die Tür dringen.
Juliet redet weiter, als hätte ich überhaupt nichts gesagt. »Ihr habt das Gerücht in die Welt gesetzt, dass ich für eine Schachtel Zigaretten meine Jungfräulichkeit verloren hätte.«
Ally. Das war Ally. Ich kann es nicht sagen. Es spielt sowieso keine Rolle. Wir waren es. Wir alle. Alle, die die Geschichte weitererzählt haben und »Nutte« flüsterten und einen trockenen Raucherhusten nachmachten, wenn sie vorbeiging.
»Dabei rauche ich gar nicht.« Das sagt sie lächelnd, als wäre es das Lustigste auf der ganzen Welt. Als wäre das hier, ihr ganzes Leben, ein einziger Witz.
»Juliet â¦Â«
»Meine Schwester hat das Gerücht gehört. Sie hat es meinen Eltern erzählt. Ich â¦Â« Jetzt wird sie doch unruhig, ballt die Fäuste undpresst sie gegen ihre Oberschenkel. »Ich habe noch nicht mal jemanden geküsst.« Das kommt als scharfes Flüstern heraus â ein Geständnis â und dessen Heftigkeit, die Trauer und das Bedauern, lassen irgendwo in mir eine schwarze Quelle aus Wut aufbrechen.
»Ich weiÃ, okay? Ich weiÃ, dass wir furchtbare Dinge getan haben. Ich weiÃ, dass wir uns beschissen verhalten haben und die Dinge mies laufen und â¦Â« Ich breche ab, die Wörter verheddern sich in meiner Kehle. Ich bin kurz vorm Heulen, voller blinder Wut, die mich wie eine Wolke trifft und alles auslöscht bis auf eine brennende Spitze aus Frustration: Ich kann es ihr nicht klarmachen, ich kann ihr nicht klarmachen, dass ich versuche, die Dinge in Ordnung zu bringen. Ich habe das Gefühl, als würde ich zusehen, wie unser beider Leben durch den Abfluss davonwirbelt, meins und ihrs, umeinandergeschlungen. »Was ich sagen will, ist, dass ich es wiedergutmachen will. Ich versuche mich zu entschuldigen. Es ⦠es wird alles besser werden.«
Sie kneift die Lippen zusammen und starrt mich stumm und bleich an, und ich muss alle meine Armmuskeln anspannen, um nicht die Hand auszustrecken, sie an der Schulter zu packen und zu schütteln.
»Ich meine â¦Â« Ich mache jetzt einfach blindlings weiter, taste und greife nach Wörtern und Gedanken, so wie sie durch meinen Zorn hindurch vor mir auftauchen, und versuche zu ihr durchzudringen. »Du hast doch heute diese Rosen bekommen, stimmtâs? Einen ganzen StrauÃ?«
Ein starkes Schaudern durchfährt sie. Und jetzt blitzt erneut ein Licht in ihren Augen auf, aber statt Dankbarkeit glüht es dort vor Hass.
»Ich wusste es. Ich wusste, dass ihr das wart.« Ihre Stimme ist so voller Wut und Schmerz, dass ich zurückfahre, als hätte sie mich geschlagen. »Was sollte das denn darstellen? Wieder einer eurer kleinen SpäÃe?«
Ihre Reaktion kommt so unerwartet, dass es ein paar Sekunden dauert, bis mir eine Erwiderung einfällt. »Was? Nein . Das war kein â¦Â«
»Arme kleine Psycho.« Juliet kneift die Augen zusammen und zischt mich beinahe an. »Keine Freunde. Keine Rosen. Kommt, wir verarschen sie noch mal so richtig.«
»Ich wollte dich nicht verarschen.« Ich habe keine Ahnung, was eigentlich los ist oder wie das alles so schrecklich schiefgehen konnte. »Es war nett gemeint.«
Ich weià nicht, ob sie mich überhaupt gehört hat. Sie beugt sich vor. »Und wie sah der Plan aus? Was wolltet ihr aus diesem âºHeimlicher Verehrerâ¹-Scheià machen? Einen eurer Freunde bestechen, damit er so tut, als ob er mich mag? Mich fragt, ob ich mit ihm ausgehe? Vielleicht sogar zum Abschlussball? Und dann â was? Am besagten Abend taucht er dann einfach nicht auf? Und es wird so tierisch witzig sein, wenn ich ausflippe, wenn ich
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