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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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    Es ist allerdings total seltsam: Als wir da durch all die bekannten Straßen fahren – Straßen, die ich schon mein ganzes Leben lang kenne, Straßen, die mir so vertraut sind, als hätte ich sie mir selbst ausgedacht –, habe ich das Gefühl, als schwebte ich über allem, als würde ich über all die Häuser und Straßen und Gärten und Bäume hinwegfliegen, immer höher und höher, über Rocky’s hinweg und den Drogeriemarkt und die Tankstelle und die Schule und den Football-Platz unddie metallene Tribüne, auf der wir bei jedem Heimspiel sitzen und uns die Seele aus dem Leib schreien. Als wäre alles klein und unbedeutend. Als würde ich mich bereits nur noch daran erinnern.
    Elody brüllt aus vollem Hals. Sie verträgt am wenigsten von uns allen. Ally hat den Rest Wodka in ihre Tasche gesteckt, aber nichts zum Mixen eingepackt. Lindsay fährt, weil sie den ganzen Abend trinken kann, fast ohne dass sie was merkt.
    Der Regen setzt ein, als wir beinahe da sind, aber er ist so schwach, dass er eigentlich nur in der Luft hängt wie ein dichter Schleier aus weißem Nebel. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal bei Kent war – vielleicht zu seinem neunten Geburtstag? –, und ich habe vergessen, wie tief im Wald das Haus liegt. Die Zufahrt scheint sich endlos dahinzuschlängeln. Wir sehen nichts weiter als das schwache Licht der Scheinwerfer, das über einen kurvigen Kiesweg huscht und tote Zweige erfasst, die sich direkt über uns drängen, sowie kleine Regentropfen, die aussehen wie Diamanten.
    Â»So fangen Horrorfilme an«, sagt Ally und zieht ihr Tanktop zurecht. Wir haben uns alle neue Tops von ihr geliehen, aber sie hat darauf bestanden, das pelzbesetzte anzubehalten, obwohl sie diejenige ist, die ursprünglich dagegen war. »Bist du sicher, dass es Hausnummer zweiundvierzig ist?«
    Â»Es ist nur noch ein Stückchen«, sage ich, obwohl ich keine Ahnung habe, und ich fange an zu überlegen, ob wir zu früh abgebogen sind. Ich habe Schmetterlinge im Bauch, aber ich weiß nicht genau, ob das ein gutes oder ein schlechtes Gefühl ist.
    Der Wald drängt näher und näher, bis er beinahe die Autotür streift. Lindsay jammert über den Lack. Gerade als uns die Dunkelheit aufzusaugen scheint, weicht der Wald ganz plötzlich zurück und vor uns erstreckt sich der größte und schönste Rasen, den man sich vorstellen kann, mit einem weißen Haus in der Mitte, das aussieht, als wäre es aus Zuckerguss. Es hat Balkone und eine lange Veranda, die sich über zwei Seiten erstreckt. Die Fensterläden sind ebenfalls weiß und mit Schnitzereien versehen, die man in der Dunkelheit nicht genau erkennen kann. Ich kann mich überhaupt nicht mehr daran erinnern. Vielleicht liegt es am Alkohol, aber ich finde, es ist das schönste Haus, das ich je gesehen habe.
    Wir schweigen alle eine Weile und gucken nur. Das halbe Haus ist dunkel, aber aus dem Obergeschoss scheint warmes Licht und dort, wo es auf den Rasen trifft, färbt es das Gras silbern.
    Â»Das ist fast so groß wie euer Haus, Al«, sagt Lindsay. Ich finde es schade, dass sie gesprochen hat, es ist, als wäre ein Bann gebrochen.
    Â»Fast«, sagt Ally. Sie nimmt den Wodka aus der Tasche und trinkt einen Schluck, hustet, rülpst und wischt sich den Mund ab.
    Â»Gib mir auch was davon«, sagt Elody und greift nach der Flasche.
    Bevor ich weiß, wie mir geschieht, halte ich die Flasche in der Hand. Ich nehme einen Schluck. Er brennt mir im Hals und schmeckt scheußlich, wie Farbe oder Benzin, aber sobald er unten ist, steigt er mir zu Kopf. Wir klettern aus dem Wagen und das Licht, das aus dem Haus scheint, schwillt an und dehnt sich aus, es zwinkert mir zu.
    Wenn ich auf eine Party gehe, verkrampft sich immer etwas in mir. Es ist allerdings ein gutes Gefühl; das Gefühl zu wissen, dass alles passieren kann. Meistens passiert natürlich nichts. Meistens folgt eine Nacht auf die andere, Woche auf Woche und Monat auf Monat. Und früher oder später sterben wir alle.
    Aber zu Beginn der Nacht ist alles möglich.
    Die Haustür ist zu und wir müssen um das Haus herum zu einer Seitentür gehen, die zu einem holzgetäfelten Flur und einer Holztreppe führt. Es riecht nach etwas, an das ich mich aus meiner Kindheiterinnere, aber ich kann es nicht genau bestimmen. Ich höre das

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