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Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie

Titel: Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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letztesJahr in der Provence verbracht hat. Wir bestellen die halbe Speisekarte rauf und runter: winzige Käsebällchen, die auf der Zunge zergehen, dicke Scheiben Pâté, die vermutlich mehr Kalorien haben, als man an einem ganzen Tag essen sollte, Salat mit Ziegenkäse und Muscheln in Weißweinsoße und Steak Béarnaise und ein ganzer Seebarsch noch mit Kopf und Crème brûlée und Mousse au Chocolat. Ich glaube, das ist das Beste, was ich je gegessen habe, und ich esse, bis ich kaum noch Luft kriege und mir bestimmt das Kleid platzt, wenn ich nur noch einen Bissen in den Mund stecke. Als ich dann den Beleg unterschreibe, bringt einer der Kellner (der bestaussehende) uns vier Minigläser mit süßem rosa Likör, einem Digestif , wie er sagt, was bei ihm natürlich klingt wie Dieschestiev .
    Ich merke gar nicht, wie viel ich getrunken habe, bis ich aufstehe und die Welt einen Moment lang heftig schwankt, als versuchte sie ihr Gleichgewicht zu halten. Ich denke, vielleicht ist es die Welt, die betrunken ist, und nicht ich, und beginne zu kichern. Wir treten hinaus in die eisige Luft und das hilft mir ein bisschen, nüchtern zu werden.
    Ich werfe einen Blick auf mein Handy und sehe, dass ich eine Nachricht von Rob habe: was ist los? wir hatten heut nacht was vor.
    Â»Komm schon, Sam«, ruft Courtney. Bethany und sie sind auf den Rücksitz des Civic geklettert. Sie warten darauf, dass ich mich wieder nach vorne setze. »Partytime.«
    Ich simse Rob schnell zurück: schon unterwegs.
    Dann steige ich ins Auto und wir fahren zur Party.
    Die Party geht gerade los, als wir ankommen, und ich gehe direkt in die Küche. Es ist noch früh und es sind noch nicht viele Leute da, deshalb bemerke ich in den Zimmern eine Menge Details, die mir vorher nicht aufgefallen sind. Das Haus ist so vollgestopft mit kleinen geschnitzten Holzstatuen und muffigen Ölgemälden und alten Büchern wie ein Museum.
    Die Küche ist hell erleuchtet und alles hier sieht scharf umrissen aus. Direkt neben der Tür sind zwei Bierfässer aufgereiht und die meisten Leute stehen drum herum. Es sind im Moment vor allem Jungen und ein paar Zehntklässlerinnen. Sie stehen in Gruppen zusammen und umklammern ihre Plastikbecher, als steckte ihre gesamte Lebensenergie dort drin, und sie lächeln dermaßen gezwungen, dass ich geradezu sehen kann, wie ihnen die Wangen wehtun.
    Â»Sam.« Rob entdeckt mich und muss zweimal hinsehen, als ich reinkomme. Er drängt sich zu mir durch, dann schiebt er mich bis zur Wand und legt je eine Hand auf meine Wangen, so dass ich eingeklemmt bin. »Ich hätte nicht gedacht, dass du kommst.«
    Â»Ich hab dir doch gesagt, dass ich komme.« Ich lege meine Hände auf seine Brust, fühle seinen Herzschlag unter meinen Fingern. Aus irgendeinem Grund macht mich das traurig. »Hast du meine Nachricht gekriegt?«
    Er zuckt mit den Schultern. »Du hast dich heute den ganzen Tag so komisch benommen. Ich dachte, meine Rose hat dir vielleicht nicht gefallen.«
    Hab Dich lieb. Das hatte ich schon vergessen; hatte vergessen, wie sauer ich war. Nichts davon spielt jetzt eine Rolle. Es sind sowieso nichts als Wörter. »Die Rose war schon okay.«
    Rob lächelt und legt mir die Hand auf den Kopf, als wäre ich ein Haustier. »Du siehst echt scharf aus, Süße«, sagt er. »Willst du ein Bier?«
    Ich nicke. Die Wirkung des Weins aus dem Restaurant lässt bereits nach. Ich bin viel zu nüchtern, mir meines Körpers viel zu bewusst, meine Arme hängen herab wie Gewichte. Rob will sich gerade wegdrehen, als er innehält und auf meine Schuhe starrt. Er sieht zu mirauf, halb amüsiert, halb verwirrt. »Was ist das denn?«, fragt er und zeigt auf Katies Stiefel.
    Â»Schuhe.« Ich wackele mit einem Zeh und das Leder gibt nicht das kleinste bisschen nach. Das gefällt mir aus irgendeinem Grund. »Wie findest du sie?«
    Rob schneidet eine Grimasse. »Die sehen aus wie Militärstiefel.«
    Â» Ich finde sie schön.«
    Er schüttelt den Kopf. »Sie passen gar nicht zu dir, Süße.«
    Ich denke an all die Dinge, die ich heute getan habe und die Rob schockieren würden: den kompletten Unterricht schwänzen, Mr Daimler küssen, mit Katie Carjullo kiffen, Moms Kreditkarte klauen. Lauter Dinge, die nicht »zu mir passen«. Ich bin mir noch nicht mal sicher, was das überhaupt heißt; ich bin mir

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