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Wenn du wiederkommst

Titel: Wenn du wiederkommst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Mitgutsch
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das sich mit Wasser füllt. Der Himmel hat sich über seinem Bett geöffnet, sage ich am Morgen zu Ilana, und sie sieht mich entsetzt an, als sei ich wahnsinnig geworden. Wenn der Himmel über einem aufreißt, gibt es keine Grenzen mehr. Das Regenwasser, unter dessen Druck sich der Riß in der Decke schnell verbreitert hat, fange ich mit Schüsseln, Töpfen, Pfannen auf, mit allem, was ich in Küche und Bad finden kann, und die Rinnsale, die durch die verschlossenen Fenster dringen, dämme ich mit Handtüchern, als wären es Sandsäcke. Aber solange der Regen anhält, tropft es, regelmäßig und schnell wie ein aufgeregter Herzschlag, und die Tropfen schlagen mit unterschiedlichen Tönen in den Aluminiumtöpfen auf, ein Xylophon für eine Wassermusik, spritzen hoch, zwei Nächte und einen ganzen Tag lang ist das durchnäßte Bett den Elementen preisgegeben. Wie alles, was seit seinem Tod an unerklärlichen Erscheinungen vor sich geht, wird auch dieser Riß in der Decke zu einer unheimlichen Chiffre, die in eine Tiefe hineinleuchtet, vor der mir schwindelt. Was soll das bedeuten, fragen wir uns und sehen einander ängstlich an. Wie alles sich auflöst und zerrinnt, sagt Ilana, wie nichts mehr hält. Things fall apart, the Center cannot hold, zitiert sie eines von Jeromes Lieblingsgedichten von Yeats. Als müsse sein Bett in sein Grab hinterhergeschwemmt werden, sage ich. Erst als der Regen nach zwei Tagen nachläßt, werden die Abstände der Wassertropfen größer. Ich sitze auf der trockenen Seite des Bettes und beobachte die einzelnen Tropfen, wie sie sich von allen Seiten
sammeln, sich anreichern, schwer werden, und im Augenblick zwischen Loslösen und Δufklatschen eine vollkommene Form erreichen, so vollendet, wie das Leben niemals werden kann, und im nächsten Augenblick zerschellen.
    Das Leintuch, das ich noch lange nicht wechseln wollte, um seinen Geruch zu bewahren, und die Matratze sind vollgesogen. Am Morgen rufe ich einen Dachdecker an, sage, daß es eile, das Dach sei leck und im Begriff über uns einzustürzen. Jahrelang habe ich im Schlaf von Häusern geträumt, die unbewohnbar wurden, von Hausruinen, aus denen ich vertrieben wurde, von Häusern, aus denen ich floh, von solchen, die zu groß waren, um alle Räume zu erkunden, und solchen, die anstatt der Außenmauern Bücherregale hatten. Jetzt wohne ich in einem Haus unter einem Himmel, der ungehindert seine Fluten über uns ergießt. Bist du zornig, frage ich Jeromes Foto über dem Weinregal. Wir leben wie auf einer ruderlosen Planke, die vom Festland forttreibt. Willst du das, willst du uns zerstören, weil dir das Leben genommen wurde, bist du unser böser Geist geworden?
    Die Katzen sitzen auf dem Fensterbrett des Eßzimmers, aufrecht, mit gespitzten Ohren, wie ägyptische Statuen auf Sarkophagen und ignorieren uns, warten auf ihn seit dem Tag, an dem er am Abend nicht nach Hause kam. Nur nachts verlassen sie verstohlen ihren Wachposten, um zu fressen und Lampen und Kartons umzuwerfen.
    Wir taumeln durch die Tage und Nächte, als hätte der Wechsel zwischen Helligkeit und Finsternis keine Bedeutung mehr. Die Grenze zwischen Leben und Tod, zwischen der Nacht und dem Zwielicht des frühen Morgens löst sich auf, und als ich um halb fünf Uhr früh ins Wohnzimmer komme, steht Ilana vor Jeromes Foto und redet mit ihm, danke, sagt sie, daß du
mir Gesellschaft geleistet hast, sie fährt verlegen herum, als sie mich hört. So sicher ist sie, daß er nahe ist und alles mit Interesse verfolgt, daß er sie hört, wenn sie mit ihm spricht. Ihr hat als Kind niemand von einem allwissenden Gottvater erzählt, an den man sich jederzeit mit allen kleinen Sorgen wenden kann, und trotzdem betet sie zu ihrem Vater genauso wie ich. Aber sie ist betreten und einen Moment lang irritiert, als hätte ich sie absichtlich belauscht. Wie zurückhaltend sie ist, denke ich, man muß sie kennen, um ihren Arger wahrzunehmen an der Art, wie sie sich abwendet.
    Du mußt was essen und schlafen, ruft sie nach einer Weile aus der Küche, anstatt jede Nacht herumzugeistern, schau einmal in den Spiegel.
    Wir hätten die Spiegel verhängen müssen, erwidere ich.
    Ich gehe mehrmals am Tag am großen Spiegel im Wohnzimmer vorbei, und sehe nicht hinein, ich weiß, die Tradition verlangt, daß man in der Trauerwoche die Spiegel verhängt, aber die Geste kommt mir unecht und theatralisch vor, the mirrors are sheated, endet eines der letzten Gedichte von Sylvia Plath, eine Metapher für den

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