Wenn du wiederkommst
Tisch und sehen zu, wie sich die Morgensonne in der Küche ausbreitet. Etwas muß mit den Katzen geschehen, sagt sie, ich kann sie nicht zu mir nehmen.
Bis wir das Haus verkaufen, wird sich schon eine Lösung finden, beruhige ich sie.
Was wirst du machen, wenn du wieder in Providence bist, frage ich.
Kündigen, sagt sie.
An der Brown University? Das ist Wahnsinn, das wäre Dad nicht recht gewesen. Ein fester Job an einer solchen Uni, weißt du, was dein Vater oder ich in deinem Alter dafür gegeben hätten?
Das ist mir eigentlich egal, sagt sie müde, es ist mein Leben. Und eines Tages wird es so plötzlich vorbei sein wie bei Dad, auch er hat von so vielem immer nur geträumt.
Luftschlösser, sage ich und schließe aus der Art, wie sie die Lippen zusammenpreßt und ihr Blick sich verschließt, daß sie die Spur eines verächtlichen Untertons in meiner Stimme wahrgenommen hat.
Das hat er auch manchmal gesagt, wenn du Romane schriebst und von Erfolgen träumtest, und er hat dich nie daran gehindert.
In ihrem ersten Lebensjahr war ich jeden Tag um vier Uhr
früh aufgestanden, um Manuskripte zu schreiben, aus denen nie Bücher wurden. Ich hatte die zwei, drei Stunden, bis sie aufwachte, in der Stille des frühen Morgens auf meine Reiseschreibmaschine mit deutscher Tastatur eingehämmert und jeden Tag mit dem Glücksgefühl geleisteter Arbeit begonnen. Erst fünfundzwanzig Jahre später erzählte mir Jerome wie nebenbei von dem endlosen Streit mit der Mietpartei unter uns um mein Recht, die nächtliche Ruhe mit meinem Tippen zu stören, denn die Wände und Decken dieser Apartmenthäuser waren dünn. Sie beschwerten sich erst bei ihm, dann bei der Hausverwaltung, er verteidigte mich, hielt sie hin, ohne mir ein Wort zu sagen, immer wieder, monatelang, bis wir das Haus in Dedham fanden. Ich verstand, daß du schreiben mußtest, daß du das gebraucht hast, sagte er später, es hätte dich in deiner Schaffensfreude gehemmt, wenn ich es dir gesagt hätte. Mit dem Abstand von fünfundzwanzig Jahren verstand ich auch, welche Tortur es für die Wolks, unsere Nachbarn gewesen sein muß, jede Nacht vom Geklapper einer Schreibmaschine aus dem Schlaf gerissen zu werden, ein paar Anschläge, dann Schweigen und das Warten, wird sie weitertippen?, und gerade wenn sie sich erleichtert entspannten, eine weitere Salve von Anschlägen, bis es zu spät war, wieder einzuschlafen. Erst wenn oben das Kind zu schreien begann, verstummte das Gehämmer der Schreibmaschine über ihnen. Am Morgen, wenn Jerome aufstand, sagte er scherzhaft: Andere Männer kriegen Frühstück von ihren Frauen, ich kriege Geschichten. Möchtest du ein Omelett ä la Jerome? Wie so vieles hörte auch das irgendwann auf, daß er mir Omeletts zum Frühstück machte, so wie das gemeinsame Hören von Musik und das gleichzeitige Zubettgehen. Doch damals ahnte ich nicht, daß er mich Tag für Tag mit seinem Schweigen und seiner Sturheit
schützte. Und auch die Wolks sagten zu mir nie ein Wort. Es ist nicht leicht mit einem kleinen Kind, nicht wahr, fragte mich Mrs. Wolk einmal mitfühlend, nichts sonst. Sie lebten zu dritt, zwei alte Leute mit ihrer geistig zurückgebliebenen erwachsenen Tochter.
Jerome hat mich immer unterstützt, antworte ich.
In den schlaflosen Nächten habe sie beschlossen, ihr Leben von Grund auf zu ändern, erklärt Ilana sanft und unerbittlich. Sie werde ihren Uni-Job kündigen und das machen, wovon sie schon lange träume, in New York leben und Theaterproduzentin werden.
Warum? frage ich. Was fasziniert dich daran?
Das wirst du nicht verstehen, erwidert sie und weicht meinem Blick aus.
Wir sitzen einander gegenüber wie früher, es ist die Situation, die uns geläufig ist. Ich möchte etwas erfahren, das sie mir verheimlicht, muß es erfahren, um sie zu schützen, und fürchte mich zugleich davor, etwas zu hören, das alles, worauf wir bisher bauen konnten, in seinen Grundfesten erschüttert und das prekäre Gleichgewicht unserer drei ineinander verflochtenen Leben ins Wanken bringt, und sie sieht mich an, mit diesem störrisch verschlossenen Blick, der sagt, laß mich, das verstehst du nicht, ich habe es beschlossen, und es ist allein meine Sache. Jerome hätte nicht fragen müssen, er hätte auch nicht gefragt, sie hätte es ihm ungefragt erklärt. Ich sitze ihr gegenüber, sehe sie an und warte auf eine Antwort und werde warten, bis sie aufsteht und sagt, das sei kein günstiger Zeitpunkt, um darüber zu reden.
Versuch es mir zu
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