Wenn du wiederkommst
noch ein Symbol, das die Frauen daran hindert, hemmungslos über die Ware herzufallen, einander die Fetzen zu entreißen, sich gegenseitig aus dem Weg zu rempeln. Hier geschieht etwas, das man selten so unverhüllt sieht: das Erwachen aus einem Traum von Schönheit, den Umschlag in nackte, verzweifelte, hoffnungslose Gier, das vergebliche Haschen nach Glück.
Auch Ilana und ich statten Filene’s einen Abschiedsbesuch ab, und ich erzähle ihr von dem Gespräch im Public Garden an unserem letzten Nachmittag, und wie ich versucht hatte, Jerome vor dem Zusammenbruch, den ich vorausgeahnt hatte, zu bewahren. Der Zugang zu den Stockwerken ist bereits verbarrikadiert, die Rolltreppe kann man durch das große Loch im halb abgerissenen Gemäuer von der Washington Street aus sehen. Wir zählen einander die Kleidungsstücke
auf, die wir im Vault im Untergeschoß gekauft haben, Blazer von Armani, Hosenanzüge von Krizia, Sandalen von Yves St. Laurent, The Vault war bei Schnäppchenjägerinnen bis an die Westküste bekannt gewesen, man wußte nie, was einen dort erwartete.
Das waren Zeiten, sagt Ilana.
Vor den Malls, füge ich hinzu.
Auch unser Haus sieht immer mehr wie eine Lagerhalle aus. Die Kartons voller Bücher lassen nur schmale Gänge in den Zimmern frei. Mit welch freudiger Erwartung wir früher neue Bücher nach Hause brachten, jedes Buch mit seinen jungfräulichen Seiten ein Aufbruch in eine unerforschte Welt, wir machten keinen Unterschied zwischen der Wirklichkeit der Bücher und des alltäglichen Lebens, oder doch - die Bücher enthielten die ganze, auf die Essenz verdichtete Wirklichkeit, exemplarisch, wahrhaftig, wie keine andere Wirklichkeit es sein konnte. So sahen wir es, so sehe ich es noch immer, aber ich habe niemanden mehr, mit dem ich tage- und nächtelang über Bücher, Ideen, das Leben anderer diskutieren kann. Bücher waren zugleich Kampfzonen und Beweismaterial für die Verwandtschaft unserer Seelen, und wir wußten immer, in welchem Regal wir suchen mußten, um einander mit Zitaten zu widerlegen. Auf einmal sind sie wertloses Altpapier und fühlen sich schmutzig an, mit einer klebrigen Schicht Staub. Nachdem ich die Taschenbücher von den gebundenen getrennt, die Kunst- und Bildbände, die Klassiker in vollständigen Ausgaben, ein paar deutsche Klassiker aus der Familie seiner Mutter in Goldschnitt und Ledereinbänden als Köder in
die vordersten Reihen gestellt habe, frage ich bei Antiquariaten an, deren Visitenkarten ich in Jeromes Schreibtisch fand, und verspreche Autographen und einen insgesamt wertvollen Nachlaß. Einer kommt an einem Samstag aus New Hampshire angereist, sieht sich die alten Bände verächtlich an, ich glaube nicht, daß die Autographen echt sind, sagte er, außerdem ist die Yeats-Ausgabe mit Bleistift signiert. Die schweren juridischen Wälzer, gebunden für die Ewigkeit, die auch nicht, frage ich? Er schüttelt den Kopf, läßt sich auf keinen Handel ein und ist offenbar verärgert, daß er sich mit falschen Versprechungen an einem Samstag nach Dedham hatte locken lassen. Entsorgen, empfiehlt er mir, Bücher sind Wegwerfware, und da ist kein einziges Buch dabei, das auch nur zehn Dollar wert wäre, und verschwindet mit einem unwirschen Gruß.
Was soll ich machen, frage ich Ilana, ich kann zwanzig Bücher mitnehmen, auch fünfzig, aber nicht fünftausend oder mehr. Ich wiege einen schweren Bildband in der Hand, Die Kunst der Renaissance, schlage ihn auf. Mazel tov, ihr habt ein Baby ausgebrütet steht auf dem Deckblatt, das Geschenk eines Freundes, der längst aus unserem Leben verschwunden ist. Ilana streckt die Hand danach aus: Kann ich es nehmen? Auf diese Weise werden noch ein paar Dutzend Bücher vor dem Verderb gerettet. Wir legen alles zur Seite, was eine besondere Bedeutung für uns hat, Jeromes Weintagebuch, in das er jeden Wein eintrug, den wir getrunken hatten, mit Datum und unseren Kommentaren, die vom Händler verschmähten signierten Ausgaben und seine Lieblingsautoren, Yeats und Beckett, William Blake und Isaac Babel, dem er sich wesensverwandt fühlte. Ich nehme alles, was er mit Randbemerkungen kommentiert hatte, und das, was Freunde ihm im Lauf der Zeit gewidmet hatten, auch Literaten waren darunter, keine berühmten, aber
es waren seine Dichter gewesen, und sein Lob hatte sie zu hymnischen Freundschaftsbekundungen hingerissen.
Ich lege die schweren Kunstbände beiseite, die wir gemeinsam entdeckt haben, japanische Farbholzschnitte, die Fresken von
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