Wenn ein Maerchenprinz heiraten will
schaute noch einmal der Stute in die Augen und sah dort etwas Schalkhaftes aufblitzen. Schließlich schüttelte sie den Kopf und sagte: „Ich glaube, ich versuche mich doch mit Ablah anzufreunden. Wir Ladys werden uns schon zusammenraufen.“
„Das ist typisch jameelati“, kommentierte Shehab amüsiert. „Immer für eine Überraschung gut.“
„Hauptsache, die größte Überraschung wird nicht, dass ich den Rest meines Aufenthaltes hier mit Gips zubringen muss. Was bedeutet eigentlich der Name Ablah?“
„Wohlgestaltet. Und Barq bedeutet Blitz.“
Mit einem Blick auf die edle Stute merkte Farah an: „Sie scheint das zu wissen und sich was darauf einzubilden. Und Blitz – der Name sagt ja alles. Da bin ich doch froh, dass ich mich für Ablah entschieden habe.“
„Aber dir ist schon klar, dass ich dir die Pferde nicht angeboten hätte, wenn ich nicht absolut sicher wäre, dass dir nichts passieren kann?“ Sie nickte vertrauensvoll, und er kniete sich hin, um ihr beim Aufsteigen zu helfen.
Als Farah auf Ablah saß, wieherte die Stute.
„Jetzt hör aber auf, du Wunderpferd. Ich bin vielleicht kein Federgewicht, aber dein Herr wiegt mindestens siebzig Pfund mehr als ich. Also tu nicht so, als müsstest du unter mir zusammenbrechen.“
Ablah schnaubte. Shehab amüsierte sich königlich über den Dialog zwischen Frau und Stute. Er flüsterte Ablah ins Ohr: „ Et’addebi.“ Sofort stand Ablah gehorsam und stocksteif da wie ein Soldat.
Farah musste lachen. „Was war das denn? Ein Zauberwort?“
„Benimm dich!“
„Was, ich soll … ach so, das war der übersetzte Befehl für das Pferd.“
Auch Shehab saß jetzt schwungvoll auf, und sie verließen die Stallungen.
Die ersten paar hundert Meter blieb Shehab ganz dicht bei Farah, gab Ablah noch ein paar Befehle, aber dann hatten Stute und Reiterin sich aneinander gewöhnt. Farah genoss den Ritt.
Shehab wunderte sich über sich. Er ritt mit dieser Frau aus, statt in seinem Bett einen anderen wilden Ritt mit ihr zu veranstalten. Dabei hatte sie ihn doch quasi dazu aufgefordert.
Er fragte sich, woher er diese Selbstbeherrschung nahm. Andererseits, sagte er sich, hatte die Sache ja auch etwas Gutes. Je länger er es hinauszögerte, desto intensiver wurde die Vorfreude.
„Du bist eine tolle Reiterin, ya saherati“, rief er ihr zu.
„Das liegt aber auch an Ablah“, erwiderte sie. „Mit ihr ist das ein Kinderspiel.“
Shehab entpuppte sich als der perfekte Fremdenführer, und Farah war die ideale Touristin. Sie bewunderte, was er ihr zeigte, und fragte interessiert nach. Als sie den höchsten Punkt der Insel erreicht hatten, ließ er sie anhalten, half ihr vom Pferd und errichtete schnell ein provisorisches Zelt als Sonnenschutz.
Als sie sich niedergesetzt hatten, zog er sie an sich. Fast automatisch kam es zu einem Kuss, und er verlor sich in ihr. Sie war so warm, so willig …
Doch dann schrillten die Alarmglocken in ihm. Er durfte sich nicht von ihrer Begierde einlullen lassen. Ihre Ziele waren nicht seine Ziele.
Widerwillig löste er sich von ihr und fuhr mit seinem während des Ausritts begonnenen Vortrag fort. „Auf der einen Seite der Insel ist das Wasser über zwei Meilen ins Meer hinein nur knietief und wird dann nur allmählich tiefer. Auf der anderen Seite beträgt die Tiefe von Anfang an mehrere hundert Fuß.“ Er sah zu ihr herüber. „Kannst du schwimmen?“
„Ich bin seit zehn Jahren nicht mehr geschwommen, aber früher war ich wie ein Fisch im Wasser, damals, als mein Vater noch …“ Sie hielt mitten im Satz inne und biss sich auf die Lippen.
Jedes Mal, wenn sie den Mann erwähnte, von dem sie so lange geglaubt hatte, er sei ihr leiblicher Vater, war sie bedrückt. Gerne hätte Shehab nachgebohrt und gefragt, warum sie dem neuen Vater, den das Schicksal ihr geschenkt hatte, so ablehnend gegenüberstand. Aber das konnte er nicht riskieren. Sie durfte auf keinen Fall misstrauisch werden und erahnen, was er vorhatte.
„Dann bist du also wirklich und wahrhaftig eine Meerjungfrau“, sagte er und strich ihr zärtlich über die Brust. „Habe ich es doch gewusst.“ Damit hatte er sie geschickt abgelenkt, und sie schmiegte sich an ihn. „Wie gut das alles passt, ya aroosat bahri – meine schöne Nixe. Bei Tag tauchen wir am tiefen Ende und erforschen die Korallenriffe. Bei Mondlicht genießen wir das warme Wasser auf der flachen Seite.“
Aus dem mitgebrachten Picknickkorb holte er eine Thermoskanne und zwei kleine
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