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Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Titel: Wenn ein Reisender in einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Italo Calvino
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Erwartung, daß er dem Spuk ein Ende mache.
    Valerian blickt auf Irina, doch sein Blick ist verloren, wie in Trance, in totaler Ergebenheit, als erwarte er Lustgefühle allein noch aus der sklavischen Unterwerfung unter Irinas Willkür.
    Da kommt ein Kradmelder von der Kommandantur mit einem Stoß Akten herein. Die offene Tür verdeckt Irina vor seinen Blicken. Valerian nimmt die Akten entgegen und beugt sich darüber, als wenn nichts wäre.
    »Jetzt hör mal!« sage ich, kaum daß wir wieder sprechen können. »Hältst du das für einen guten Witz?«
    »Irina macht keine Witze«, sagt er, ohne den Blick von seinen Papieren zu heben. »Du wirst schon sehen.«
    Von diesem Moment an verändert die Zeit ihre Form, die Nacht greift um sich, die Nächte zerfließen zu einer einzigen Nacht in der Stadt, die wir durchziehen als nunmehr unzertrennliches Trio, zu einer einzigen langen Nacht, die in Irinas Zimmer gipfelt, in einer Szene, die intim sein muß, aber auch geprägt von Exhibition und Herausforderung, ganz Zeremonie des heimlichen Opferkultes, bei dem Irina zugleich die Priesterin ist und die Göttin, die Entweiherin und das Opfer. Der Bericht nimmt seinen unterbrochenen Gang wieder auf, der Raum, den er zu durchschreiten hat, ist nun geladen, dicht und fugenlos, ohne dem Grauen der Leere noch einen Spalt zu lassen zwischen den Vorhängen mit geometrischen Mustern, zwischen den Kissen, der vom Geruch unserer nackten Leiber gesättigten Atmosphäre, den Brüsten Irinas, die sich kaum abheben von ihrem schmächtigen Körper, den dunklen Warzenhöfen, die einem schwellenden Busen gemäßer wären, und der schmalen, spitz zulaufenden Scham in Form eines gleichschenkligen Dreiecks (das Wort »gleichschenklig« ist für mich, seit ich es einmal mit Irinas Scham assoziiert habe, derart mit Sinnlichkeit aufgeladen, daß ich es nicht mehr aussprechen kann, ohne dabei mit den Zähnen zu klappern). Je näher dem Zentrum der Szene, desto mehr neigen die Linien dazu, sich umeinanderzuwinden, geringelt wie der Rauch aus dem Räucherbecken mit den schwelenden Räucherstäbchen, jenen kärglichen Überresten aus den einst reichen Beständen einer armenischen Drogerie, die dank ihres angemaßten Rufes als Opiumhöhle geplündert wurde vom rächenden Mob der Spießer, sich ineinanderzuschlingen - die Linien meine ich - wie das unsichtbare Band, das uns umschlingt, uns drei, und je mehr wir uns aufbäumen, um davon loszukommen, desto enger ziehen sich seine Schlingen um uns zusammen und schneiden uns tief ins Fleisch. Im Zentrum des Knäuels, im Herzen des Dramas dieser unserer geheimen Verschwörung liegt das Geheimnis, das ich in mir trage und niemandem preisgeben darf, am allerwenigsten Valerian und Irina, die geheime Mission, mit der ich betraut bin: herauszufinden, wer der Verräter ist, der ins Revolutionskomitee eingeschleuste Spitzel, der sich anschickt, die Stadt den Weißen in die Hände zu spielen.
    Ja, inmitten der Revolutionen, die damals in jenem stürmischen Winter durch die Straßen der Hauptstädte fegten wie eisige Böen, war jene heimliche Revolution im Entstehen, die das Machtgefüge der Körper und der Geschlechter umstürzen sollte: Das glaubte Irina, und das hatte sie nicht nur Valerian einzureden vermocht, ihm, der ja als Sprößling eines Bezirksrichters, als Magister der Politischen Ökonomie, dazu Anhänger indischer Gurus und schweizerischer Theosophen, ohnehin schon ein prädestinierter Adept jeder Lehre an den Grenzen des Denkbaren war, sondern auch mir, der ich aus einer viel härteren Schule kam und wußte, daß sich die Zukunft in Kürze zwischen dem Revolutionstribunal und dem Kriegsgericht der Weißen entscheiden würde und daß auf beiden Seiten schon, Gewehr bei Fuß, Erschießungskommandos warteten.
    Ich versuchte zu fliehen, indem ich mit Gleitbewegungen vordrang zum Mittelpunkt der Spirale, wo die Linien sich ineinanderwanden wie Schlangen, den gelösten und rastlosen Windungen von Irinas Gliedern folgend in einem langsamen Tanz, in dem es nicht auf den Rhythmus ankam, sondern allein auf das Sichverknoten und Wiederentknoten der Schlangenlinien. Zwei Schlangenköpfe waren es, die Irina mit beiden Händen gepackt hielt und die auf ihren Griff reagierten mit höchster Anspannung ihrer Bereitschaft zu geradliniger Penetration, während Irina demgegenüber verlangte, daß ein Höchstmaß an zurückgehaltener Kraft einhergehe mit der Wendigkeit eines Reptils, das sich biegt und krümmt und sie noch

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