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Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Titel: Wenn ein Reisender in einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Italo Calvino
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hoffe ich jedenfalls, Manuskripte haben wir hier so viele, wissen Sie, bergeweise, wollen Sie mal sehen, ich zeig's Ihnen, nein, verstehe, Sie wollen Ihr Manuskript, nicht irgendein anderes, war ja auch noch schöner, ich meine, wir haben hier so viele Manuskripte, an denen uns gar nichts liegt, da werden wir doch nicht gerade Ihres wegwerfen, an dem uns so viel liegt, nein, nicht um es zu publizieren, ich meine, um's Ihnen zurückzugeben.«
    Der da spricht, ist ein buckliges Hutzelmännlein, will sagen ein kleiner, welker und in sich zusammengesunkener Mann, der jedesmal noch etwas mehr zu welken und in sich zusammenzusinken scheint, wenn jemand nach ihm ruft, ihn am Ärmel zupft, ihm ein Problem vorlegt, ihm einen Stoß Druckfahnen auf die Arme lädt. »Doktor Cavedagna!«, »Hören Sie, Doktor Cavedagna!«, »Da müssen wir Doktor Cavedagna fragen!« geht es in einem fort, und jedesmal konzentriert er sich auf das Anliegen seines jeweils letzten Besuchers, die Augen zusammengekniffen, das Kinn vibrierend, den Hals verrenkt im Bestreben, all die anderen ungeklärten Fragen weiter im Blick und in der Schwebe zu halten, mit der todtraurigen Geduld des Übernervösen und der Ultraschallnervosität des Übergeduldigen.
    Vorhin, als du das Verlagsgebäude betreten und den Damen in der Anmeldung das Problem der falsch gebundenen Bücher dargelegt hattest, die du gern umtauschen würdest, verwiesen sie dich zuerst an die Vertriebsabteilung; dann, als du anfügtest, daß es dir nicht bloß um einen Umtausch gehe, sondern auch um eine Erklärung des Vorgefallenen, wollten sie dich zur Herstellung schicken, und als du daraufhin präzisiertest, daß dir vor allem die Fortsetzung der abgebrochenen Romane am Herzen liege, sagten sie schließlich: »Dann ist es wohl besser, Sie reden mit Doktor Cavedagna. Nehmen Sie bitte im Vorzimmer Platz. Da warten schon andere, aber Sie kommen auch noch dran.«
    So hast du, während du dich zwischen die anderen Besucher drängtest, den Doktor Cavedagna schon mehrmals seine Rede über das verlorengegangene Manuskript beginnen hören, jedesmal einem anderen zugewandt, auch dir, und jedesmal unterbrochen von neuen Besuchern oder anderen Lektoren und Angestellten, bevor er das Mißverständnis bemerkte. Du hast sofort begriffen, daß Doktor Cavedagna hier der für jeden Betrieb unentbehrliche gute Geist ist, auf dessen Schultern die Kollegen instinktiv alle etwas komplizierteren und heikleren Probleme abzuladen versuchen. Kaum hast du mit ihm zu reden begonnen, da kommt jemand mit dem Herstellungsplan für die nächsten fünf Jahre, der dringend auf den neuesten Stand gebracht werden muß, oder mit einem Namenverzeichnis, in dem alle Seitenzahlen falsch sind, oder mit einer DostojewskiAusgabe, die von vorne bis hinten neu gesetzt werden muß, weil überall, wo Maria steht, nun Mar'ja zu stehen hat und jeder Pjotr neuerdings Petr heißt. Er schenkt allen Gehör, wenngleich stets beunruhigt von dem Gedanken, das Gespräch mit einem anderen Sorgenkind auf halbem Wege abgebrochen zu haben, und sobald er kann, versucht er, die Ungeduldigsten mit der Versicherung zu beruhigen, daß er sie keineswegs vergessen und ihr Problem ganz gegenwärtig habe: »Wir waren außerordentlich beeindruckt von der phantastischen Atmosphäre. ..« (»Wie?« durchzuckt es einen Historiker der trotzkistischen Spaltungen in Neuseeland.) »Sie sollten vielleicht die Analbilder etwas abschwächen. « (»Was?« protestiert ein Spezialist für die Makroökonomie der Oligopole.)
    Plötzlich ist der Vielgefragte verschwunden. Die Gänge des Verlagshauses sind voller Hinterhalte: Theaterkollektive aus Nervenheilanstalten gehen dort um, Gruppen von Gruppenanalytikern, feministische Einsatzkommandos. Bei jedem Schritt läuft der arme Doktor Cavedagna Gefahr, ergriffen, belagert, verschlungen zu werden.
    Du bist in einem Moment gekommen, da die Verlage nicht mehr wie früher hauptsächlich von Kandidaten des Dichterund Schriftstellerdaseins, von Aspirantinnen der Poesie und der epischen Literatur umschwärmt werden; dies ist der Moment (in der Geschichte der abendländischen Kultur), da es nicht mehr vorwiegend Einzelne sind, die sich auf dem Papier zu verwirklichen trachten, sondern Kollektive: Studienzirkel, Arbeitsgruppen, Forschungsteams, als wäre die geistige Arbeit zu deprimierend, um in Einsamkeit angegangen zu werden. Die Figur des Autors hat sich vervielfacht und tritt allerorten im Plural auf, da niemand delegiert werden

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