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Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Titel: Wenn ein Reisender in einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Italo Calvino
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kann, um irgend jemanden zu vertreten: vier ehemalige Strafgefangene, davon einer entflohen, drei ehemalige Kranke mit Pfleger und Manuskript des Pflegers; oder auch Paare, nicht unbedingt Mann und Frau, aber tendenziell Ehepaare, als kenne das Leben zu zweit keinen besseren Trost denn das Produzieren von Manuskripten.
    Jeder von diesen Beflissenen hatte mit dem Verantwortlichen einer bestimmten Abteilung oder dem Zuständigen für ein bestimmtes Sachgebiet sprechen wollen, doch alle sind schließlich bei Doktor Cavedagna gelandet. Endlose Redefluten, gespickt mit den Fachausdrücken der spezialisiertesten Disziplinen und exklusivsten Denkschulen, ergießen sich über das kahle Haupt dieses Seniorlektors, den du vorhin auf den ersten Blick beinahe als »buckliges Hutzelmännlein« bezeichnet hättest, nicht weil er kleiner, buckliger und verhutzelter wäre als viele andere, auch nicht etwa, weil der Ausdruck »buckliges Hutzelmännlein« zu seiner Redeweise gehörte, sondern weil er dir aus einer Welt zu kommen schien, in der noch - nein: weil er dir aus einem Buch zu kommen schien, in dem man - nein, jetzt hast du's: weil er dir aus einer Welt zu kommen schien, in der man noch Bücher liest, in denen man »buckligen Hutzelmännlein« begegnet.
    Unermüdlich trotzt er dem Ansturm der Schwierigkeiten, schüttelt den Kopf und versucht, die Probleme auf ihre mehr praktischen Seiten zu reduzieren: »Könnte man nicht, verzeihen Sie, vielleicht die Fußnoten in den Text einbringen und den Text etwas mehr straffen und dann womöglich, sehen Sie, den Text als Fußnote setzen?«
    »Ich bin ein Leser, bloß einfach ein Leser, kein Autor«, beeilst du dich zu erklären wie einer, der einem Strauchelnden zu Hilfe eilt.
    »Ah, gut, sehr gut, das freut mich!« Er strahlt dich an, sein Blick ist voll ehrlicher Sympathie und Dankbarkeit. »Das freut mich wirklich! Richtige Leser treffe ich immer seltener. «
    Vor lauter Freude wird er direkt vertrauensselig, läßt sich gehen, vergißt seine vielen Pflichten und nimmt dich beiseite: »So viele Jahre lang bin ich nun Lektor. so viele Bücher gehen mir durch die Hände. Aber kann ich sagen, daß ich lese? Ist doch kein Lesen, so was. Zu Hause in meinem Heimatdorf gab's nur wenige Bücher, aber da las ich, jawohl, damals als Kind, da las ich!. Immer denke ich, wenn ich mal in Pension gehe, dann werde ich in mein Dorf zurückkehren und wieder lesen wie früher. Alle naselang leg ich mir ein Buch beiseite und sag mir, das wirst du lesen, wenn du mal in Pension bist. Aber dann, fürchte ich, wird's nicht mehr dasselbe sein. Stellen Sie sich vor, heute nacht hatte ich einen Traum, ich war in meinem Dorf, im Hühnerstall bei mir zu Hause, ich suchte etwas, suchte etwas im Hühnerstall, in dem Korb, in den die Hennen immer ihre Eier legten, und was fand ich da? Ein Buch! Eins von denen, die ich als kleiner Junge las, so eine billige Volksausgabe, ganz zerfleddert, mit Eselsohren, und die Schwarzweißillustrationen von mir koloriert, mit Wasserfarben. Verstehen Sie? Als Junge hab ich mich nämlich immer zum Lesen im Hühnerstall versteckt. «
    Du machst Anstalten, ihm den Grund deines Besuches darzulegen. Er begreift im Nu, läßt dich gar nicht ausreden: »Sieh da, sieh da, auch bei Ihnen, ja, ja, die verbundenen Bögen, wir kennen das schon, die Bücher fangen erst an und gehen dann plötzlich nicht weiter, die ganze letzte Verlagsproduktion ist durcheinandergeraten, verstehen Sie das, lieber Herr? Wir verstehen überhaupt nichts mehr!«
    Er hält einen Stapel Druckfahnen in den Armen und legt ihn vorsichtig auf den Tisch, als könnte die kleinste Erschütterung gleich das ganze Gefüge der Buchstaben durcheinanderbringen. »Ein Verlag ist ein zerbrechlicher Organismus, lieber Herr«, sagt er. »Es genügt, daß irgendwo etwas danebengeht, und schon gerät alles ins Wanken, die Unordnung breitet sich aus, das Chaos tut sich auf unter unseren Füßen. Entschuldigen Sie, aber mir wird ganz schwindlig, wenn ich nur daran denke.« Er schlägt sich die Hand vor die Augen, als verfolge ihn die Vision von Tausenden und Abertausenden wirbelnd durcheinanderstiebender Seiten, Zeilen und Wörter.
    »Aber, aber, Herr Doktor, nehmen Sie's doch nicht so tragisch!« Jetzt ist es an dir, ihn zu trösten. »Es war doch nur aus simpler Leserneugier, daß ich gefragt habe. Aber wenn Sie mir nichts sagen können .«
    »Was ich weiß, will ich Ihnen gern sagen«, rafft er sich auf. »Hören Sie: Alles hat

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