Wenn ein Reisender in einer Winternacht
Als Irnerio es sah, hat er es in diese dunkle Kammer geworfen, wo du die Sachen von. «
»Wer hat dir erlaubt, hier herumzuschnüffeln?«
»Irnerio sagt, daß jemand, der dir Bücher gestohlen hat, heimlich herkommt, um sie durch falsche zu ersetzen. «
»Irnerio weiß gar nichts.«
»Aber ich! Cavedagna hat mir Maranas Briefe zu lesen gegeben.«
»Alles, was Ermes erzählt, ist verlogen.«
»Aber eins ist wahr: Er denkt noch immer an dich, er sieht dich in all seinen Phantastereien noch immer vor sich, er ist geradezu besessen von deinem Bild, wie du liest. «
»Grad das hat er nie ausstehen können.«
(Allmählich wirst du etwas mehr über die Hintergründe der Machenschaften des Übersetzers begreifen: Ihre geheime Triebfeder war seine Eifersucht auf den unsichtbaren Rivalen, der sich ständig zwischen ihn und Ludmilla drängte, die stumme Stimme, die aus den Büchern spricht, dieses Phantom mit tausend Gesichtern und keinem, das um so ungreifbarer wird, als für Ludmilla die Autoren sich nie in Wesen aus Fleisch und Bein verkörpern: Sie existieren für sie nur auf Buchseiten, dort sind die Lebenden und die Toten immer bereit, mit ihr zu kommunizieren, sie aus der Fassung zu bringen, sie zu verführen, und Ludmilla ist immer bereit, ihnen zu folgen mit jener flatterhaften Unbeschwertheit, die nur in Beziehungen zu körperlosen Personen möglich ist. Was soll man dagegen tun? Wie bezwingt man nicht die Autoren, sondern die Funktion des Autors, die Idee, daß hinter jedem Buch einer steht, der dieser Welt von Trugbildern und Erfindungen eine Wahrheit garantiert, bloß weil er seine eigene Wahrheit in sie investiert hat und sich selbst mit diesem Wörtergebilde identifiziert? Seit jeher schon, da seine Vorlieben und Talente ihn dazu drängten, aber mehr denn je seit sein Verhältnis zu Ludmilla in die Krise geraten war, träumte Ermes Marana von einer durch und durch apokryphen Literatur aus lauter falschen Zuweisungen, Imitationen, Unterschiebungen und Pastiches. Wenn seine Idee sich durchgesetzt hätte, wenn eine systematisch erzeugte Ungewißheit über die Identität des Schreibenden den Leser daran gehindert hätte, sich vertrauensvoll dem Gedruckten hinzugeben -nicht so sehr dem, was ihm da erzählt wird, als vielmehr der stummen Stimme dessen, der da erzählt -, dann hätte sich äußerlich wohl am Gebäude der Literatur nicht viel verändert. aber darunter, im Unterbau, wo sich das Verhältnis des Lesers zum Text herstellt, dort wäre etwas für immer anders geworden. Ermes Marana hätte sich nicht mehr verlassen gefühlt von der in ihre Lektüre vertieften Ludmilla: Zwischen sie und das Buch hätte sich dauernd ein Schatten der Mystifikation eingedrängt, und er, Marana, der sich mit jeder Mystifikation identifizierte, hätte seine Präsenz behauptet.)
Dein Blick fällt auf den Anfang des Buches. »Moment mal, das ist ja gar nicht der Roman, den ich gelesen habe! Der Titel ist gleich, der Umschlag ist gleich, alles ist haargenau gleich. .. Aber es ist ein anderes Buch! Eins von beiden ist falsch!«
»Natürlich ist es falsch«, sagt Ludmilla leise.
»Du meinst, weil es durch Maranas Hände gegangen ist? Aber das andere, das ich gelesen habe, ist auch durch seine Hände gegangen: Er hat es an Cavedagna geschickt. Dann wären beide falsch?«
»Nur einer kann uns hier noch die Wahrheit sagen: der Autor.«
»Du könntest ihn ja mal fragen, du bist doch seine Freundin. « »Ich war es.«
»Gingst du zu ihm damals, als du vor Marana wegliefst?« »Was du alles weißt!« sagt sie, und wenn dir etwas auf die Nerven geht, dann dieser ironische Ton.
Du hast dich entschieden, Leser: Du wirst diesen alten Schriftsteller aufsuchen. Einstweilen hast du Ludmilla den Rücken gekehrt, um dich der Lektüre des neuen Buches zu widmen, dessen Umschlag dem anderen so haargenau gleicht.
(Haargenau bis zu einem bestimmten Punkt. Die Bauchbinde mit der Aufschrift der neueste bestseller von silas flannery verdeckt das letzte Wort des Titels. Du hättest sie nur zu verschieben brauchen, um festzustellen, daß er nicht heißt In einem Netz von Linien, die sich verknoten, sondern In einem Netz von Linien, die sich überschneiden)
In einem Netz von Linien, die sich überschneiden
Spekulieren, reflektieren - jede Regung des Denkens verweist mich auf Spiegel. Nach Plotin ist die Seele ein Spiegel, der die materiellen Dinge erzeugt, indem er die Ideen der höheren Vernunft reflektiert. Vielleicht ist das der
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