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Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Titel: Wenn ein Reisender in einer Winternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Italo Calvino
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fingierte Überfälle und fingierte Entführungen zu Lasten eines fingierten Ich inszenierte, gefolgt von fingierten Freilassungen nach Entrichtung fingierter Lösegelder. Zu diesem Zweck mußte ich eine parallele Verbrecherorganisation aufziehen und folglich immer engere Kontakte zur Unterwelt knüpfen. Dadurch erhielt ich eine Menge Informationen über geplante echte Entführungen, was mich befähigte, jeweils rechtzeitig einzugreifen, sei's um mich selbst zu schützen, sei's um mir das Mißgeschick meiner Konkurrenten zunutze zu machen.
    Hier könnte nun die Erzählung daran erinnern, daß zu den Wunderkräften der Spiegel, mit denen sich die alten Bücher befassen, auch das Vermögen gehört, die fernen und verborgenen Dinge zu offenbaren. Arabische Geographen des Mittelalters erwähnen in ihren Beschreibungen des Hafens von Alexandria jene hohe Säule, die auf der Insel Pharos stand und einen stählernen Spiegel trug, in welchem man über ungeheure Entfernungen hinweg die vor Zypern, Konstantinopel und allen Küsten der Römer kreuzenden Schiffe zu erkennen vermochte. Durch Konzentration der Strahlen können gekrümmte Spiegel ein Bild des Alls auffangen. »Selbst Gott, der weder vom Körper noch von der Seele geschaut werden kann«, schreibt Porphyrius, »läßt sich in einem Spiegel betrachten.« Ich wünschte, daß diese Seiten zugleich mit der zentrifugalen Ausstrahlung, die mein Bild in alle räumlichen Dimensionen hinausprojiziert, auch die umgekehrte Bewegung vermitteln, in welcher mir aus den Spiegeln die für das Auge nicht direkt sichtbaren Bilder entgegenkommen. Von Spiegel zu Spiegel - so träumt mir bisweilen - könnte die Totalität der Dinge, das ganze Universum, die göttliche Weisheit ihre Strahlen in einem einzigen Spiegel bündeln. Oder vielleicht liegt das Wissen ums Ganze in meiner Seele begraben, und ein System von Spiegeln, das mein Bild unendlich vervielfachen und seine Essenz in einem einzigen Bild zurückwerfen würde, könnte mir schließlich die Seele des Alls offenbaren, die sich in der meinen verbirgt.
    Dies und nichts anderes wäre die Macht der magischen Spiegel, von denen in den Traktaten okkulter Wissenschaften und in den Bannsprüchen der Inquisitoren so oft die Rede ist: daß sie den Gott der Finsternis zwingen, sich zu manifestieren und sein Bild mit dem zu vereinen, das der Spiegel zurückwirft. Ich mußte meine Sammlung auf ein weiteres Gebiet ausdehnen:
    Antiquariate und Auktionshäuser in aller Welt wurden angewiesen, die überaus seltenen Exemplare jener Renaissance-Spiegel, die sich dank ihrer Form oder dank schriftlicher Überlieferung als »magisch« klassifizieren lassen, zu meiner Verfügung zu halten.
    Es war ein vertracktes Spiel, und jeder Fehler konnte mich teuer zu stehen kommen. Mein erster falscher Zug bestand darin, daß ich meine Rivalen dazu überredete, sich mit mir zusammenzutun zwecks Gründung einer Versicherungsgesellschaft gegen Entführungen. Im Vertrauen auf mein Informationsnetz in der Unterwelt glaubte ich, jede Eventualität unter Kontrolle zu haben. Bald erfuhr ich, daß meine Mitgesellschafter engere Kontakte zu den Kidnapperbanden unterhielten als ich. Bei der nächsten Entführung sollte als Lösegeld das gesamte Kapital der Versicherungs-AG gefordert werden; anschließend sollte es zwischen den Gangstern und den mit ihnen verbündeten Aktionären der AG aufgeteilt werden, all dies natürlich zu Lasten des Entführten. Wer das Opfer sein sollte, stand außer Zweifel: ich.
    Nach dem Plan meiner Entführer sollten sich zwischen die Honda-Motorräder meiner Eskorte und die gepanzerte Limousine, in der ich saß, drei Yamaha- Motorräder mit falschen Polizisten eindrängen, um dann plötzlich vor der Kurve zu bremsen. Nach meinem Gegenplan sollten statt dessen drei Suzuki-Motorräder meinen Mercedes fünfhundert Meter vorher zu einer fingierten Entführung stoppen. Als ich mich an einer Kreuzung, die noch vor den beiden anderen kam, plötzlich von drei Kawasaki-Motorrädern eingezwängt sah, begriff ich sofort, daß mein Gegenplan von einem Gegen-Gegenplan durchkreuzt worden war, dessen Auftraggeber ich nicht kannte.
    Die Hypothesen, die ich in diesen Zeilen festhalten möchte, brechen sich und divergieren wie in einem Kaleidoskop, ganz wie der Stadtplan unter meinen Augen in Segmente zerfiel, den ich Abschnitt für Abschnitt zerlegt hatte, um die Straßenkreuzungen zu lokalisieren, an denen meinen Informanten zufolge der Überfall auf mich

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