Wenn es daemmert
erzählt, richtig?«
Sie nickte.
»Warum hast du mich nicht gefragt? Ich dachte, du weißt alles.«
Sie zuckte die Schultern. Ihre Tante umarmte sie. Auch zum ersten Mal. »Geh zu ihm, und sag es ihm. Er gibt dir dann Geld, und du lässt es wegmachen. Das ist nicht schlimm. In einer Woche lachen wir nur noch darüber. Aber geh bald zu ihm, sonst ist es zu spät.«
»Wieso zu spät?«
Die Tante ließ sie los und drehte sich weg. Alles Weiche war verschwunden, sie konnte sehen, wie sich die Schultern der Tante anspannten. »Weil das in deinem Bauch dann zu groß ist. Dann kann man es nicht mehr wegmachen, weil es schon Arme und Beine hat.«
»Warum kann man es dann nicht mehr wegmachen?«
Ihre Tante verließ das Zimmer und knallte die Tür zu.
9.
Als Mina am Morgen nach der Party aufwachte, dachte sie erst, der Regen habe sie geweckt. Es war noch viel zu früh. Halb sieben. Sie hörte Schritte und dachte, es sei ihre Mutter, die in der Nacht aus Edinburgh zurückgekommen war. Doch dann erkannte sie, dass mindestens zwei Personen im Haus waren.
Sie stand leise auf, schlich zur Tür und lauschte. Sie hörte eine gedämpfte Männerstimme. Eine zweite antwortete. Einbrecher. Sie hatte sich nicht getäuscht, ihr Büro war wirklich durchsucht worden. Was suchten sie? Und vor allem: Wer suchte hier etwas?
Sie hörte, wie die Männer die Treppe heraufkamen, und ihr Instinkt riet ihr, sich zu verstecken. Der riesige Spiegelschrank bot sich an. Sie schlüpfte hinter die linke Schiebetür, wo ihre Mäntel und Jacken hingen und sie den Wäschekorb verstaute. Mina drückte sich an die Wand hinter den Wäschekorb und schob leise die Mäntel vor sich.
Die Männer öffneten die Tür zu ihrem Zimmer, gingen offenbar gleich weiter, öffneten die Türen der anderen Zimmer.
»Keiner da, ich hab überall nachgeschaut«, sagte eine tiefe schottische Stimme.
»Das muss ihr Zimmer sein«, sagte eine andere Stimme mit russischem Akzent. »Nimm einfach alles mit.«
Es war jedoch nicht Minas Zimmer, für das sich die Männer interessierten. Sie standen auf dem Flur vor dem Zimmer, in dem Margaret schlief. Margaret? Was wollten sie von ihrer Mutter? Sie dachte wieder an den Stein, mit dem der Mann im Range Rover ihre Scheibe eingeworfen hatte, und an den Zettel, der um den Stein gewickelt war: M: Mina oder Margaret …
»Sieh dir das andere Zimmer besser auch noch mal an«, sagte der Schotte. »Vielleicht gibt’s ein Tagebuch oder irgendwas, wo sie sich Notizen macht.«
»Ist vielleicht im Computer!«
»Auf jeden Fall mitnehmen!«
Schritte in ihrem Zimmer. Mina drückte sich fester an die Wand und hielt den Atem an. Der Mann öffnete ein paar Schubladen und wühlte herum.
»An Unterwäsche interessiert?«, rief er dem anderen zu und lachte. Mina merkte, wie ihr schlecht wurde. Schlecht vor Zorn, wenn sie daran dachte, dass ein Fremder ihre BH s und Slips anfasste.
»Die hier hat keinen Liebhaber«, sagte der Russe laut. »Kein Stück zum Verführen hier drin.«
»Danach suchen wir auch nicht, klar?«, rief der Schotte aus dem anderen Zimmer.
»Sie hat ihr Handy liegen lassen. Mitnehmen?«
»Wie du willst.«
»Ich nehme es mit. Kann nicht verkehrt sein.«
Mina hörte die Hand des Russen an der Tür des Schranks, wusste, dass er sie gleich zur Seite schieben und sie entdecken würde. Sie schloss die Augen und biss sich fest auf die Unterlippe.
»Wir sind fertig«, sagte der Schotte und klang viel näher als vorher. Sie waren nun beide in ihrem Zimmer.
»Gut, wie du meinst«, antwortete der Russe. »Feuer?«
»Gleich.«
Mina spürte, dass ihre Unterlippe blutete. Sie lauschte angestrengt darauf, ob die Männer das Haus verlassen würden, aber sie hörte ihre Schritte nicht. Als sie sich sicher war, dass niemand mehr in ihrem Zimmer war, schob sie die Schranktür einen Inch zur Seite und lugte hinaus. Leer. Sie wagte es dennoch nicht, den Schrank zu verlassen. Erst jetzt merkte sie, wie wackelig ihre Knie sich anfühlten und wie sehr sie zitterte. Ihr war eiskalt, so kalt, dass sie überlegte, sich einen ihrer Mäntel anzuziehen. Aber so viel Bewegung traute sie sich noch nicht zu. Sie lauschte weiter und konnte keine Schritte im Haus mehr ausmachen.
Dafür bemerkte Mina einen stechenden Benzingeruch, hörte Rauschen und Knistern, und sie verstand, was der Russe mit »Feuer« gemeint hatte.
Sie schob die Schranktür ganz zur Seite und rannte aus dem Zimmer, doch das Feuer hielt sie auf. Der untere Teil der
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