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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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vorbei, durch ein feuchtes Gemisch von Parfüms und Alkohol.
    Claas liebte mich nicht. Ich bedeutete ihm nichts. Genauso wenig, wie er mir etwas bedeutete, das wurde mir nun klar. Denn wenn ich ehrlich gewesen wäre, hätte ich mir eingestanden, dass ich bloß geschmeichelt war, auserwählt worden zu sein.
    Claas’ Gesicht war auf einmal ganz nah.
    »Ich hab dich gefragt, ob alles okay ist«, schrie er gegen die Musik an. Seine Brille war beschlagen, das Hemd, das er sich von Julian ausgeliehen hatte – und ihm zu groß war – war durchgeschwitzt, seine Locken klebten in der Stirn. Sein Geruch war mir auf einmal unangenehm. Ich wich zurück. Plötzlich konnte ich nicht mehr verstehen, gerade noch so eng mit ihm getanzt zu haben.
    »Was soll sein?« Ich war beeindruckt. Von mir. Von der Kälte, mit der ich diese drei Worte rüberbrachte.
    Sein Lächeln wurde unsicher. Ich wandte mich ab – und erblickte Julian.
    Er drehte sich von einem Mädchen weg, ich konnte nur noch ihr langes dunkles Haar erkennen, dann war sie schon wieder in die Dunkelheit des La Porte abgetaucht. Der spitze Pfeil der Eifersucht bohrte sich in mein Fleisch. Warum hatte Julian mich nicht dort drin gesucht?
    Ich war wütend, nein, das ist nicht ganz der richtige Ausdruck. Ich fühlte mich eher niedergeschlagen, weil ich vor der Tatsache kapitulieren musste, dass alle meine Gedanken um Julian kreisten.
    Dass ich in meiner Obsession gefangen war.
    Nur wenige Minuten standen wir in der Nacht, die wummerte und dröhnte und zirpte und hupte und schrie und lachte und nach hundert verschiedenen Düften roch. Das La Porte – es hätte ganz anders werden können. Und schon spulte ich in Gedanken zurück, die Dunkelheit, der Rhythmus, Julian und ich …
    Dann blinkte das Licht eines Taxis auf und Claas lief ihm fast vor die Motorhaube. Das Taxi bremste abrupt, der Fahrer machte bloß eine flapsige Bemerkung und ließ uns einsteigen.
    Wie es kam, dass ich auf dem Rücksitz zwischen Claas und Julian saß?
    Mein rechtes Bein berührte Claas’ Bein, mein linkes das von Julian. Genau wie meine Arme ihre Arme berührten. Ich schloss die Augen und spürte ihr Atmen, ihre Wärme und ihren Herzschlag. Spürte Julian auch meinen?
    Ich lehnte mich an Julian. Sein Arm, sein Bein, alles fühlte sich anders an als bei Claas. Stärker, heißer, sein Herz schlug kräftiger – er kam mir irgendwie lebendiger vor als Claas. In meiner Fantasie kehrte ich auf die Tanzfläche zurück. Mit Julian. Und ich erlebte alles noch einmal, intensiver. Mein Herz klopfte schneller und heftiger, mir wurde heiß, immer heißer. Mein ganzes Sein, so kam es mir vor, war auf allein die Körperstellen konzentriert, an denen Julian und ich uns berührten. Diese Fahrt durch die Nacht und die duftenden Hügel, mit dem Mond über uns, dem Rauschen des Meeres in den Ohren sollte niemals enden. Und wenn sie denn jemals enden müsste – dann in den Armen von Julian.
    Natürlich endete die Fahrt. Doch in seinen Armen landete Tammy, die kicherte und stolperte, bis Julian sie auffing, während ich mich hinter Claas vom Rücksitz schob. Beim Abfahren hinterließ das Taxi eine Wolke aus Staub und Abgasen. Kein Zweifel: Der Zauber war vorbei.
    Es war kühler als unten in Les Colonnes und im Wind raschelten die Blätter. Kein Licht brannte, wir hatten vergessen, es anzuschalten, als wir gingen, weil es noch hell gewesen war. Tammy – sie hatte sich aus Julians Armen gelöst – ging voraus, öffnete die Gartentür in der Hecke und steuerte auf das Haus zu, das kalkig hell in der Dunkelheit schimmerte.
    War mir da schon etwas aufgefallen?
    Ich ging hinter Claas durch den Garten, zwischen den Oleanderbüschen hindurch und sah dabei auf seinen eckigen Rücken mit dem schmalen Hals und dem durch die Locken zu groß wirkenden Kopf, bis er hinter den Büschen verschwand.
    Im Nacken spürte ich – vielleicht bildete ich es mir nur ein? – Julians warmen Atem. Ich spürte ihn nicht nur, ich hörte ihn auch, ganz leise. Ich sah hinauf in den schwarzen Himmel, an dem Abermillionen Sterne funkelten.
    Die nimmermüde Zikade zirpte und etwas in mir ließ mich langsamer gehen, mein Herz schlug wieder heftiger. Ich wollte mich zu ihm umdrehen, doch da umfasste er mich schon von hinten, zog mich zu sich heran und ich ließ es zu, ja, mehr noch, alles in mir seufzte. Als seine Lippen mein Ohr berührten, zitterte ich. Seine Hände griffen höher, über meinen Bauch zu meinen Brüsten, eine Hand schob sich nach

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