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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Schlag, aufgeregtes Rascheln, dann hastige Schritte, sie kamen näher, kamen in meine Richtung. Ich wusste nicht, wohin ich laufen sollte. Der Schein der Taschenlampe irrte weiter hinten umher. War das unsere Taschenlampe? »He!«, rief ich, flüchtete aber sicherheitshalber hinter einen Baumstamm. Wusste ich denn, wer der Typ war? Vielleicht hatte er ein Messer oder eine Waffe? Ich aber hatte bloß diesen Prügel.
    Und plötzlich war es still.
    »Hallo?«, rief ich. Da raschelte es hinter mir. Ruckartig fuhr ich herum, den Ast schlagbereit wie ein Baseballschläger erhoben.
    »Halt!« Claas hob schützend die Arme vors Gesicht. »Ich bin’s!«
    »Mann, hast du mich erschreckt«, brachte ich hervor und ließ den Ast sinken. »Und? Habt ihr ihn?«
    »Er war da«, sagte er atemlos, »aber er ist entkommen.«
    Seltsamerweise war ich darüber erleichtert.
    Später, im Haus: Kein Wind regte sich, die Luft stand und ich konnte nicht schlafen. Und ich fühlte mich, als würde ich gleich in diesem Zimmer, in dieser Villa mit all den Emotionen und unausgesprochenen Begierden ersticken.
    Kennst du es, wenn du nachts nicht schlafen kannst, wenn die Minuten kriechen, wenn es einfach nicht Morgen werden will? Ich wälzte mich im Bett herum und stand schließlich auf. Ich ging zum Fenster und sah hinaus auf die sich am Horizont ausdehnende schwarze Fläche. Der fast volle Mond warf einen silbrigen Schein in die Nacht.
    Mir kam dieser Satz von Henry Paige in den Sinn. Wer bei diesem Vollmond nicht nach seinem Willen liebt, soll sterben. Im kalten Mondschein kam mir der Satz auf einmal bedrohlich vor.
    Ich ging hinunter, um mir etwas zu trinken zu holen, und war überrascht, unten auf der Terrasse Claas anzutreffen. Er lag auf einem Liegestuhl, und als er mich kommen hörte, sagte er: »An meinem Geburtstag ist Vollmond. Ich hab’s ausgerechnet.«
    Ich setzte mich auf den Liegestuhl neben ihn, ohne etwas zu sagen.
    »Du weißt, was dann passiert?«, fragte er.
    »Vergiss diesen Spinner«, sagte ich, »man wird ja vollkommen paranoid.«
    Sein Lachen hörte sich gespenstisch an in der Stille. Ich fragte mich, ob er schon immer so gelacht hat und es mir bloß nie so aufgefallen ist.
    Schließlich brach er das Schweigen.
    »Hättest du wirklich zugeschlagen? Du hast ziemlich Angst einflößend gewirkt, mit dem Ast da unter dem Baum.«
    »Keine Ahnung. Vielleicht hätte mich auch so was wie eine Tötungshemmung befallen«, sagte ich trocken.
    Er lachte leise.
    »Mann, der Typ hat bloß ein paar Fotos gemacht«, sagte er, »das passiert doch dauernd, meistens merken wir es gar nicht. Wir hätten kein Recht gehabt, ihn einfach zu erledigen. Weißt du, Mel, ich bin eigentlich froh, dass wir ihn nicht erwischt haben.«
    Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und sah in den Nachthimmel hinauf. Für einen Moment fühlte ich mich wieder mit ihm verbunden. Was ist nur mit deinen Gefühlen los, Mel?, fragte ich mich. Mit Claas konnte ich immer so vernünftig reden und wir teilten oft die Meinung des anderen – aber offenbar genügte mir das nicht.
    Nein, schlimmer noch, es zählte nichts gegen einen undurchschaubaren Typen wie Julian.
    »Sag mal«, begann er, »ist dir was an Tammy aufgefallen?«
    »Wieso«, fragte ich, »ist was passiert?«
    »Na ja«, sagte er zögernd, »seit der Sache mit den Karten ist sie irgendwie anders.«
    »Ach ja? War sie nicht schon die ganze Zeit so egozentrisch, zickig und gemein?«
    »Ich weiß, dass du sie nicht magst, Mel. Nein, im Ernst, etwas hat sie verwirrt. Diese Hochzeitskarte.« Jetzt kam auch noch Claas damit an.
    »Ich frage mich ernsthaft, ob Tammy wirklich in diesen, diesen Ami verknallt ist. Diesen Ken …«
    »Ben«, sagte ich. Ich habe dich durchschaut, Claas, du kleiner Feigling, willst wissen, ob du bei ihr Chancen hast, oder?
    »Frag sie doch einfach.«
    »Bist du bescheuert! So was kann man doch nicht fragen!« Er schüttelte heftig den Kopf. »Ich wollte deine Meinung.«
    Im selben Moment hörten wir ein Geräusch.
    »Wenn man vom Teufel spricht …«
    Tammy kam auf die Terrasse und blieb kurz stehen, als sie uns sah. »Puh, was für eine Nacht!«, stöhnte sie. »Ich kann seit Stunden nicht schlafen!«
    »Wir sollten noch einen Joint rauchen«, meinte Claas, doch Tammy hörte ihn gar nicht, sondern ging zur Schwimmbadtreppe, legte ihr Handtuch ab und tauchte nackt ins Wasser.
    Claas räusperte sich.
    »Pass auf, sonst fällst du noch vom Liegestuhl, wenn du sie so anglotzt«, sagte ich

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