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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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ich, absolut.«
    »Es gibt eine Menge Typen, die was von ihr wollen, denn sie sieht nun mal …«
    »… ziemlich gut aus«, ergänzte ich.
    »Genau, sie sieht … verdammt gut aus.« Für einen Moment wanderte sein Blick in die Ferne, bis er mich plötzlich wieder ansah und auflachte. »He, was erzähl ich dir hier eigentlich?«
    »Dass du und Tammy Geschwister seid«, entgegnete ich.
    Einen Moment lang sah er mich irritiert an, kurz, sehr kurz, dann lachte er erneut. Ich lachte mit und hob das Glas Cranberry-Schorle.
    Etwas war gerade eben geschehen und ich erschrak darüber. Es kam mir vor, als würde ich jetzt erst sein wahres Ich sehen, ja, als hätte ich ihm seine glatte Heldenmaske abgerissen und darunter war ein ganz anderes Gesicht. Ein verletzlicher Typ, unsicher, verwirrt, weil er wusste, dass er auf eine Weise für seine Schwester empfand, die nicht sein durfte. Und er traute sich nicht, es auszusprechen.
    Und, wäre es mir lieber gewesen, er hätte mir die Wahrheit auf den Kopf zu gesagt? Mel, es ist nun mal so, ich liebe Tammy. Sie ist perfekt.
    Vielleicht schon. Dann hätte ich ihm Respekt entgegenbringen können, aber so verachtete ich ihn für seine Feigheit.
    Wie fühlte ich mich, als er sein Glas gegen meines stieß und mich dann an der Mauer zurückließ? Wie soll ich den Mix aus Wut und Enttäuschung beschreiben? Er schmeckte wie ein wild zusammengerührter Cocktail, von dem einem schwindlig und schlecht wurde.
    In der Küche riss ich den Kühlschrank auf und nahm eine Tafel Schokolade heraus. Ich bekam das Papier kaum herunter, es war während der Fahrt durch die Hitze mit der Schokolade verschmolzen. Egal, hastig rupfte ich es weg und verschlang die ganze Tafel.

21
    In dieser Nacht waren wir alle ungewöhnlich nüchtern geblieben. Julian war mir die letzten zwei Stunden aus dem Weg gegangen, er wollte sicher nicht an unser Gespräch erinnert werden.
    Und ich?
    In gewisser Hinsicht war ich froh, dass wir einen gemeinsamen äußeren Gegner hatten, diesen Spanner, der uns beobachtete. Wir richteten unsere Aggressionen, die zwischen uns standen, auf diesen armen Kerl. Wir waren entschlossen, ihn zu schnappen. Und dieses gemeinsame Ziel ließ uns die Kluft, die sich seit dem Tarot-Abend noch größer zwischen uns aufgetan hatte, überwinden. Jedenfalls für eine gewisse Zeit.
    Aus meiner heutigen Sicht frage ich mich, woher wir die Gewissheit nahmen, dass er im Garten nach seinem Handy suchen würde. Und ich frage mich auch, was wir zu diesem Zeitpunkt wirklich mit ihm tun wollten. Ihn verprügeln, ihm mit der Polizei drohen? Ich weiß es nicht. Wir hatten keinen Plan.
    Eine fiebrige Unruhe hatte uns erfasst. Und als es dunkel wurde, kletterten wir über die Mauer in den Garten. Diesmal war auch Tammy mit dabei. Jeder suchte in einem anderen Teil ein Versteck, um dem Eindringling, der ja hier – nach unserer naiven Vorstellung – nach seinem Handy suchen würde, aufzulauern. Wir waren siebzehn – und benahmen uns wie Kinder. Gefährliche Kinder.
    Ich stapfte geduckt mit einem dicken Ast in der Hand unter den Pinien hindurch. Die anderen hatte ich längst aus den Augen verloren, denn nur Claas hatte eine Taschenlampe.
    Mir stach ein Insekt ins Gesicht. Ich wollte fluchen, konnte es gerade noch unterdrücken, spürte aber schon, wie die Stelle an meiner Wange anschwoll. Ich hatte vorhin vergessen, mich mit Autan einzureiben. Und jetzt in der Dunkelheit waren die verfluchten Mücken besonders hungrig.
    Dennoch, auch zu diesem Zeitpunkt war ich überzeugt, dass wir das Richtige taten. Mich auf dem fremden Handy nackt zu sehen, in einer Situation, in der ich mich völlig allein geglaubt hatte, hatte mich schockiert, unsicher, aber vor allem wütend gemacht.
    Also ging ich unter einem tief hängenden Ast in die Hocke und wartete. Den Ast wie einen Baseballschläger im Anschlag.
    Zuerst sah ihn Tammy. »He! Hier!«, schrie sie plötzlich. »Schnell, er ist hier! Kommt hierher!«
    Ich sprang auf und hörte auch die anderen aus ihren Verstecken hervorbrechen. Die Taschenlampe blitzte auf. »Tammy, sei vorsichtig!«, hörte ich Julian rufen. »Tammy! Hörst du?«
    »Er ist in Richtung Haus gerannt!«, schrie Tammy. Zweige knackten überall, der verlassene Garten schien wie zum Leben erweckt. Die Hetzjagd beginnt, dachte ich, es fehlen nur die Hunde. Etwas rannte an mir vorbei, oder streifte mich bloß ein Vogel mit seinem Gefieder?
    »Halt! Bleib stehen!«, brüllte Claas, darauf gab es einen dumpfen

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