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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Blut!
    »Bonjour«, begrüßte uns Vincent freundlich von der Tür aus. »Ich war gerade in der Gegend. Ist alles wieder in Ordnung? Strom? Wasser?«
    Er stand neben Julian, er war ein drahtiger, nicht sonderlich großer Mann – kleiner als sein Sohn – mit grauem Haar und wettergegerbtem Gesicht und irgendwie traurigen Augen.
    »Ja«, brachte Julian hervor, worauf Claas ihm beisprang: »Danke, alles in Ordnung.« Ein perfekter Lügner! Sogar sein Lachen klang unbeschwert. »Es waren wirklich tolle Ferien hier! Wir kommen bestimmt wieder, oder Julian? Tammy?«
    Mir wurde übel.
    »Klar«, sagte Tammy ebenfalls überzeugend echt. »Wir haben viel Spaß zusammen gehabt!«
    »Nächstes Mal gibt es sicher keine Probleme«, versicherte Vincent und Julian lächelte gezwungen.
    Und dann sagte Claas: »Ach, ja, richten Sie Ihrem Sohn vielen Dank aus!«
    Mir blieb die Luft weg. Der Nachklang seiner Worte erschien endlos. Kennst du das, wenn eine Stille quälend lang wird? Vincent wirkte irritiert, weshalb, dachte er vielleicht, erwähnt er ausgerechnet meinen Sohn?
    Claas strahlte ihn an und sagte endlich: »Dass er den Glaser hier überwacht hat.«
    Vincent nickte wieder. »Ja. Hat er gern gemacht.«
    »Nächstes Mal kann er ja mal vorbeikommen, dann können wir unser Französisch aufbessern!« Das kam aus meinem Mund, stellte ich entsetzt fest.
    »Ja, sicher.« Vincent hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. Er wirkte leicht verunsichert. Er wusste nicht, ob die verzogenen, reichen Jugendlichen es ernst meinten oder ihn für dumm verkaufen wollten. Und er grübelte sicher auch darüber nach, warum sein Sohn nicht nach Hause gekommen war. Was allerdings nichts Ungewöhnliches sein müsste. Laut seiner Papiere wurde er – ich meine, wäre er – in zwei Monaten achtzehn geworden. Bestimmt kam er doch öfter nachts nicht heim? Bestimmt hatte er eine Freundin oder mehrere … Ich dachte an die Fotos auf seinem Handy. Vielleicht aber beobachtete er die Mädchen im Ort auch nur von fern. Hockte nachts unter ihren Fenstern und guckte ihnen in ihren Badezimmern zu, wie sie sich wuschen und auszogen.
    Vincent murmelte etwas zum Abschied, dann begleitete ihn Julian zur Tür.
    Kaum war die Tür hinter Vincent ins Schloss gefallen, drehte sich Julian zu Claas und mir um. »Habt ihr sie noch alle? Musste das sein?«
    »Ja, musste sein. Du warst schließlich keine große Hilfe«, entgegnete Claas. »Findet ihr das nicht auch komisch, dass er einfach so vorbeikommt? Der wollte vielleicht unauffällig rausfinden, ob sein Sohnemann bei uns ist.«
    »Quatsch, wir haben noch nie was mit dem zu tun gehabt«, widersprach Tammy.
    Wir tranken schweigend unseren bereits lauwarmen Kaffee. Claas räusperte sich. »Also Leute, euch ist klar, dass wir mit niemandem, mit wirklich niemandem darüber reden dürfen, ja?« Er sah uns nacheinander eindringlich in die Augen. »Es ist unser Geheimnis. Wenn einer von uns redet, hängen alle mit drin, das wisst ihr doch, oder?« Ich nickte zögernd. Auch Tammy und Julian stimmten mit einem leichten Kopfnicken zu.
    »Gut.« Er stellte seinen Becher in die Spüle. »Es wird alles gut, glaubt mir, dieser Typ war ein Perverser. Und ein Einzelgänger. Er hat niemandem was von uns erzählt, da bin ich mir ziemlich sicher.«
    »Dann hoffen wir mal, dass du recht hast.« Tammy schluckte.
    »Hoffen genügt nicht«, sagte ich. »Wir brauchen auf jeden Fall ein einheitliches Alibi.«
    Wir entwarfen eine übereinstimmende Geschichte, und wiederholten sie mehrmals. Wir trugen sie so oft abwechselnd voreinander vor, dass ich sie schon fast für die Wahrheit hielt.
    Es war der achtzehnte Geburtstag von Claas – das konnten wir ja nicht verschweigen, es stand in seinem Pass – und wir feierten in der Villa, bis wir Lust auf einen Spaziergang bekamen. Das müssten wir erwähnen, für den Fall, dass uns irgendjemand gesehen hatte. Wir wanderten laut unserer Geschichte ein bisschen durch die Berge und gingen dann wieder heim.
    Schließlich packten wir unsere Rucksäcke und Koffer. Es fühlte sich seltsam an, die Villa zu verlassen. Die Woche kam mir einerseits vor, als hätte sie eine Ewigkeit gedauert. Andererseits fühlte es sich so an, als hätte sie nie existiert.
    Ich war erleichtert, endlich zu gehen. Weil ich dachte, ich würde damit alles zurücklassen, was passiert war.

26
    Unser Abschied voneinander fiel kühl aus. Claas nickte Tammy bloß zu, ich gab Julian die Hand, das war alles. Das Taxi wartete und wir

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