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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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stiegen ein. Ich winkte. Ein Reflex.
    »So«, sagte Claas neben mir auf der Rückbank. »Geschafft. Auf uns kommt keiner, glaub mir.«
    Seit seinen Worten ist ein halbes Jahr vergangen – und ich höre immer noch, wie Claas sie damals sagte. So überzeugt und mit Nachdruck. Ich wollte an die Wahrheit seiner Worte glauben. Dann aber kam jene Mail.
    Im Video friert das Gesicht des Mädchens ein. Unwillkürlich versucht man, sie mit anderen Augen zu sehen als am Anfang. Gewalttätig, skrupellos, heuchelnd, feige – aber ist sie zu all dem, was sie gerade gesagt hat, überhaupt imstande?
    Schalte ab, will man sich sagen. Aber die meisten schalten nicht ab. Sie warten auf das nächste Video, das sie hochladen wird.
    Und es beginnt. Diesmal sieht nicht das Mädchen in die Kamera, sondern eine Fratze.
    Ihre Stimme kommt aus dem Off: »Ob Lüge oder Wahrheit – der Magier nutzt alle Möglichkeiten, um sein Ziel zu erreichen. Er kennt kein Gewissen und wandelt auf dem schmalen Grat zwischen schwarzer und weißer Magie.«
    Dann lässt sie die Karte sinken und sie erscheint wieder vor der Kamera. Sie sieht noch genauso aus wie im ersten Video, als sie weiterzureden beginnt.
    Nach der Rückkehr aus Frankreich sind wir uns aus dem Weg gegangen. Claas gab Julian keinen Nachhilfeunterricht mehr und überhaupt wurde er von den Wagners auch nicht mehr so wie früher an den Wochenenden – oder sogar zu Weihnachten – eingeladen. Ich machte endgültig Schluss mit Claas und traf ihn nur noch hin und wieder und dann auch eher zufällig. Tammy – so wurde mir erzählt – setzte mit der Schule aus und ging für ein paar Monate nach L. A.
    Julian hab ich nur einmal wiedergesehen, im Starbucks. Es war ein Schock. Er hatte sich ziemlich verändert. Und das lag nicht bloß am Winter. Er war blass und nicht mehr athletisch, sondern dünn, richtig mager, als ob er nichts mehr essen würde. Unter seinen Augen waren dunkle Ringe. Er stand an der Kasse und ich hob nach einer Weile die Hand.
    Vielleicht hat er mich ja nicht erkannt, denn er hat einfach durch mich hindurchgesehen, seinen Café Latte in Empfang genommen und ist rausgegangen.
    Ich musste es einfach jemandem sagen, das mit der Mail.
    Ich bin nicht tot, stand da. Die Wahrheit wird euch einholen. Jeden Einzelnen von euch. Es gibt kein Entrinnen. Die Posaunen heben schon an. Es wird nicht mehr lange dauern. Meine Karte ist der Magier.
    Claas hat sich ewig Zeit mit einer Antwort auf meine SMS gelassen. Und wenn ich versucht habe, ihn anzurufen, schaltete sich nur die Mailbox an.
    Wenn ihm etwas passiert ist?, hab ich mich gefragt. Die Worte der Mail ließen mich nicht los: Die Wahrheit wird euch einholen. Jeden Einzelnen von euch. Es gibt kein Entrinnen. Es wird nicht mehr lange dauern.
    Und wenn Claas der Erste ist, den die Wahrheit eingeholt hat?, dachte ich.
    Es war Februar und seit Wochen war es eiskalt und wurde früh dunkel. An manchen Tagen wurde es gar nicht richtig hell und ich hatte das Gefühl, in der Dunkelheit gefangen zu sein. Es schneite und auf der Hauptstraße, die ich am linken Fensterrand sah, krochen die Autos in einer roten und einer weißen Lichterschlange vorbei.
    Das Rad kann ich bei dem Schnee vergessen, wusste ich, ich müsste die U-Bahn nehmen, um zu Claas zu kommen. Ich zögerte. Würde nicht der Albtraum vom Sommer wiederaufleben, wenn ich Claas wieder gegenüberstehen würde? Und warum antwortete er nicht? Ging es ihm genauso? Wollte auch er nicht an den letzten Sommer erinnert werden?
    Ich sah weiter aus dem Fenster in die Dunkelheit. Und da hab ich die Gestalt gesehen.
    Unser Haus ist ein Eckhaus, der Eingang zum Laden und auch der Hauptteil der Wohnung liegen zu dieser Hauptstraße hin, mein Zimmer und mein Badezimmer sind zur kleinen Seitenstraße hinaus gerichtet. Gegenüber befindet sich ein modernes und eher hässliches Mietshaus, in dessen Erdgeschoss ein Schuhgeschäft ist. Es hat einen zurückversetzten Eingang, in dem man sich bei Regen unterstellen und die Schaufenster ansehen kann. Schaufenster und Eingang waren hell erleuchtet, es war so gegen sieben Uhr abends – und da habe ich ihn gesehen.
    Warum ich dachte, dass mich diese Gestalt beobachtete? Dieser Mann in der dunklen Jacke? Ich war mir sicher, er musste es sein. Er sah hinauf zu meinem Fenster, er stand meinetwegen dort, das wusste ich, obwohl ich nicht viel von seinem Gesicht erkennen konnte, denn erstens hatte er das Licht im Rücken und zweitens … trug er eine Kapuze. Kapuzen

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