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Wenn Es Dunkel Wird

Wenn Es Dunkel Wird

Titel: Wenn Es Dunkel Wird Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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früher machte mir Angst. Ich duckte mich in den Schatten der Hauswand.
    Zurück in meinem Zimmer rief ich Claas an.
    »Ich war unten! Ich hab ihn gesehen.«
    »Und dann?
    »Er ist weggerannt.«
    Claas schnaubte. »Bist du sicher, dass du nichts eingepfiffen hast?«
    »Für wie blöd hältst du mich, Claas?«
    »Sorry. Aber du musst zugeben, es hört sich ein bisschen merkwürdig an, oder?« Ich glaubte, ihn sogar lachen zu hören.
    »Es ist gruselig, Claas.«
    »O. k., Mel, du hast Angst. So wie ich auch, wie wir alle. Und da kann sich das Gehirn schon mal auch …«
    »Claas – der Typ war da, auch wenn du denkst, ich bin hysterisch und halluziniere –, und wenn er irgendetwas gegen uns unternimmt, dann bist du auch dran.«
    In der folgenden Nacht wachte ich auf, geweckt von meinem Frog-Ton.
    Auf meinen iPhone war eine Nachricht angekommen.
    2 Uhr 13. Mitten in der Nacht.
    Du wirst nie wieder ruhig schlafen.
    Ich war sofort hellwach und rief Claas an. Es war mir egal, wie spät es war.
    Ich las ihm die Mail vor.
    »Warum hat er es ausgerechnet auf mich abgesehen?«
    »Keine Ahnung, Mel.«
    »Und was soll ich jetzt machen?«
    »Im Moment gar nichts. Wir müssen ruhig bleiben, hörst du? Lass uns jetzt einfach abwarten, was weiter passiert.«
    Zwei Tage später wollte er sich am Nachmittag am Kanal verabreden. Das Gewässer war zu dieser Zeit zugefroren und ein paar Menschen waren Schlittschuh laufen. Er wartete schon auf mich, an einer der Bretterbuden, wo man Glühwein kaufen und Schlittschuhe leihen konnte. Tagsüber war nicht viel los. Auch das Wetter war nicht besonders, kein blauer Himmel, kein strahlender Sonnenschein. Der Himmel war grau und undurchsichtig. Ein paar Rentner spielten Eisstockschießen, ein paar Mütter und Väter drehten mit ihren Kindern Runden auf dem Eis. Erst später am Nachmittag und dann am Abend würde es voll werden und man würde Musik andrehen. Gedankenverloren zerrupfte Claas ein Brötchen und fütterte damit die Enten.
    »Was gibt’s?«, fragte ich statt einer Begrüßung und stellte mich neben ihn an die windgeschützte Bretterwand.
    »Es kann nicht sein, oder? Ich meine, das ist unmöglich!«, fing er an. Er rupfte noch mehr Teigfetzen heraus und warf sie den Enten in den Schnee. »Ich hab auch eine Mail gekriegt.« Ich sah den Enten zu, wie sie die Brotkrumen vom Boden auflasen.
    Vielleicht – will er mich nur verarschen, dachte ich. Das würde zu ihm passen. Im nächsten Moment wird er auflachen und sagen: He Mel, du bist ja so leicht zu verarschen und du hast ja so die Hosen voll!
    Aber er lachte nicht. Er holte Luft und sah erst in den weißgrauen Himmel, dann mich an. »Es ist nur ein Satz, ich hab ihn schon viermal gekriegt.« Aus seiner Daunenjacke zog er sein Handy. 1000 Euro für mein Schweigen. Von jedem von euch – konnte ich auf dem Display lesen.
    »Er war tot, ganz bestimmt«, versuchte ich, mir einzureden. Da hatte ich wieder jene Nacht vor Augen, den Vollmond, die Höhle, die Felsspalte und den Moment, wie wir der Leiche von Patrick einen letzten Schubs gaben. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er aus der Felsspalte herausgeklettert ist. Und doch hatte ich ihn gesehen. Und doch gab es diese Droh-Mails und jetzt die SMS. »Er war doch tot, oder?«, wiederholte ich.
    »Ja, natürlich!«, sagte Claas.
    »Yannis«, fiel mir ein. »Yannis wusste doch von unserer Wanderung, er wusste von den Tarot-Karten aus dem Laden seiner Schwester …«
    »Der Flic?« Claas runzelte ungläubig die Stirn.
    »Ja, vielleicht braucht er Geld – oder … er kommt mit seinen Ermittlungen nicht weiter und versucht, uns in Panik zu versetzen, damit wir die Nerven verlieren und alles gestehen.«
    »Und wie erklärst du dir dann die Gestalt vor dem Schuhladen? War das Yannis? Eingeflogen aus Nizza oder Cannes?«
    Nein, das klang ziemlich unwahrscheinlich.
    »Vielleicht hab ich mir das ja nur eingebildet …«, räumte ich ein.
    Wir rauchten jeder eine Zigarette und sahen den Leuten auf dem Eis zu.
    »Bescheuertes Spiel«, sagte Claas und meinte die Eisstockspieler, die gerade wie besessen einen der Eisstöcke anfeuerten, der über das Eis schlitterte.
    Ich dachte an Henry Paige. Henry Paiges Spiel.
    Und wenn das ein Ausweg wäre? Tausend Euro und alles wäre vergessen? Mit tausend Euro so was wie Vergessen erkaufen? »Tausend Euro sind nicht die Welt, oder?«, sagte ich nach einer langen Pause.
    Er ließ einen Rauchkringel in die kalte Luft steigen und wandte sich mir zu. »Du

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