Wenn es Nacht wird in Manhattan
alles nur noch schlimmer gemacht.” Er schaute auf. “Man muss auf sie achtgeben, was Alkohol angeht. Unser Hausarzt hat gesagt, dass wir beide gefährdet sind – wegen unserer Mutter. Dabei hat Tippy überhaupt keinen Grund zu trinken.”
“Danke, dass du so offen mit mir sprichst. Ich weiß, wie gefährlich Alkohol ist. Ich werde dafür sorgen, dass sie wieder davon loskommt”, versprach Cash.
Rory atmete erleichtert auf. “Vielen Dank. Ich habe mir nämlich wirklich Sorgen gemacht.”
“Sie wird es schaffen. Ich verspreche es dir.”
Rory nickte. “Okay. Rufst du mich hin und wieder an und sagst mir, wie es ihr geht?”
“Ich rufe dich jeden Tag an. Und sie ruft dich auch an.”
“So eine Entziehungskur ist hart, nicht wahr?”, wollte der Junge wissen.
“Ja”, gab Cash zu. “Aber Tippy ist zäh. Sie wird es schaffen und wieder ganz die Alte sein.”
“Jemand muss Joel Harper anrufen”, sagte Rory.
“Ich werde ihn ausfindig machen”, versicherte Cash ihm. “Es wird alles wieder gut.”
Rory wandte den Kopf ab, als ihm die Tränen in die Augen traten. “Das waren ein paar verdammt harte Tage”, sagte er heiser.
Cash erhob sich und legte die Hände auf seine Schultern. “Das Leben ist ein Hindernisrennen”, meinte er. “Aber jedes Mal, wenn du eine Hürde überwunden hast, kriegst du eine Belohnung.”
Überrascht drehte Rory sich um. “Genau das sagt Tippy auch immer.”
Cash lächelte. “Da haben wir also beide recht. Du wirst schon sehen.” Einen Moment lang überlegte er, ob er den Jungen in den Arm nehmen sollte, um ihn zu trösten. Aber er war nicht daran gewöhnt, andere Menschen zu berühren. Und er hatte den Eindruck, dass Rory es ebenso wenig war. Unvermittelt räusperte er sich und wandte sich wieder dem Koffer zu. “Packen wir weiter.”
Rory war dankbar, dass Cash nicht versucht hatte, ihn zu trösten. Es gelang ihm, seine Tränen zurückzuhalten. Mit etwas Mühe schaffte er es sogar zu grinsen. “Dann wollen wir mal.”
Abends war Tippy immer noch erschöpft, aber wenigstens ihr Gehirn funktionierte wieder einigermaßen. Die Tabletten machten die Schmerzen erträglicher, und sie hatten ihr ein Mittel gegen die Übelkeit gegeben. Zwar fiel es ihr immer noch schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, doch es gelang ihr immerhin schon besser als am Morgen.
Cashs Anwesenheit in ihrem Zimmer war eine Qual für sie gewesen. Nur zu deutlich klangen ihr noch seine abweisenden Worte in den Ohren und seine Weigerung, ihr zuzuhören. Sie erinnerte sich auch an die Panik, die sie empfunden hatte, als Rory verschwunden war. Und noch immer hörte sie Sams Stimme am Telefon, als er seine Lösegeldforderungen stellte und Tippy ihm anbot, sie für den Jungen zu nehmen. Als die Kidnapper Rory endlich freigelassen und gemerkt hatten, dass sie keinen Pfennig bekommen würden, hatte Sam ihr gedroht, dass sie auf der Stelle dafür bezahlen müsste. Irgendwie kam es ihr so vor, als wäre dies alles erst vor wenigen Stunden geschehen.
Die Tür wurde geöffnet, und sie schaute auf. Die schrecklichen Erinnerungen verblassten sofort. Gerade noch hatte Cash ihr die Versicherungskarte und ihre Kleider gebracht, und sie hatte sich von einem in Tränen aufgelösten Rory verabschiedet. Cash hatte ihn zum Flughafen gefahren und ihn in die Maschine nach Maryland gesetzt. Während er fort gewesen war, hatte sie jegliches Zeitgefühl verloren.
“Ich war eben schon mal hier, aber du hast geschlafen, und ich wollte dich nicht wecken”, sagte er leise. “Deshalb bin ich in die Cafeteria gegangen.”
“Ich habe lange geschlafen”, erwiderte sie langsam. “Ich fühle mich etwas besser.”
“Das ist gut. Ich habe gerade mit dem Kommandanten gesprochen”, erzählte er, während er ans Bett trat. “Er hat Rory am Flughafen abgeholt und zur Schule gebracht. Außer dir und mir darf ihn keiner abholen. Es kann ihm also absolut nichts passieren.”
Sie atmete erleichtert auf. “Gott sei Dank haben sie ihm nichts getan. Ich hatte solche Angst, dass Sam ihn verletzen könnte.”
“Deshalb hast du den Tausch vorgeschlagen.” Er atmete hörbar. “Er hätte dich umbringen können.”
“Das hätte mir nichts ausgemacht, solange Rory nichts passiert wäre.”
Cash steckte die Hände in die Taschen und betrachtete sie. Mit zusammengepressten Lippen dachte er an sein schäbiges Verhalten. Sie mied seinen Blick. “Du weißt, dass du nicht allein bleiben kannst, nicht wahr? Nicht, solange dieser
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