Wenn es Nacht wird in Manhattan
nickte. “Na klar.”
Cash wandte die Augen ab, weil er den dankbaren Blick des Jungen nicht ertragen konnte. Er fühlte sich noch immer verantwortlich für das, was Tippy zugestoßen war. Deshalb hatte er Angst, ihr ins Gesicht zu sehen.
Doch es blieb ihm nichts anderes übrig, als Rory zu folgen. Als er vor ihrem Zimmer stand, war er auf wirklich alles vorbereitet.
Tippy dämmerte vor sich hin. Ihr Gesicht brannte. Ihr Körper schmerzte. Sie spürte jede einzelne der Verletzungen, die fast ihren ganzen Körper zu bedecken schienen. Sie hatte eine Kanüle im Arm und Sauerstoffschläuche in der Nase. Die Rippen taten ihr weh. Und als sie Cash und Rory neben dem Bett stehen sah, war sie sich nicht sicher, ob sie es wirklich waren. Sie hatte geträumt, dass Cash sie küsste und ihr zuflüsterte, sie solle durchhalten. Sie müsste weiterleben. Es konnte nur ein Traum gewesen sein, denn Cash hasste sie ja.
Ihre Gedanken schweiften zurück zu dem letzten schrecklichen Bild, an das sie sich erinnern konnte. Sam Stanton stand über ihr. Er hatte eine Flasche in der Hand und beschuldigte sie mit lauter Stimme, ein falsches Spiel mit ihm gespielt zu haben. Sie würde keine Gelegenheit mehr haben, sich damit vor irgendjemandem zu brüsten. Noch immer spürte sie den Aufprall der Flasche auf ihrem Rücken, ihren Schultern und ihrem Brustkorb, der höllisch schmerzte. Schützend hatte sie die Hände vors Gesicht gehalten, als er rasend vor Wut zuschlug. Etwas hatte ihren Kopf getroffen. Sie war zu Boden gestürzt, als Sam die Flasche nach ihr geworfen hatte und die auf dem Zementboden zersplittert war. Ihr Gesicht fühlte sich geschwollen an; die Haut schmerzte und spannte, aber die Schnitte waren offenbar nicht besonders tief. Möglicherweise war sie in die Glassplitter gestürzt, die ihr Gesicht aufgeritzt hatten. Jetzt schien sie zwar noch am Leben zu sein, aber sie bekam kaum Luft in ihre Lungen.
Cash blieb neben dem Bett stehen und sah sie an. Ihr bemitleidenswertes Gesicht war übersät von Schnittwunden. Sie waren gesäubert und desinfiziert, aber nicht genäht worden. Aus eigener Erfahrung wusste er, dass man dies nur bei gefährlichen Schnittwunden tat. Er dankte Gott, dass ihre Verletzungen nur oberflächlicher Natur waren. Es würde Monate dauern, bis sie komplett verheilt waren, aber sie hatten offenbar nur die Haut geritzt und würden keine Narben hinterlassen. Ihre Lunge war das eigentliche Problem. Falls es zu Blutungen kam, konnte sie daran sterben.
Auch an ihrem Arm – jenem, in dem keine Kanüle steckte – waren Schnittwunden. Die Verletzungen waren unübersehbar. An der Art, wie die Sanitäter bei ihrem Eintreffen ihren Kopf stabilisiert hatten – aufgerichtet anstatt flach gelegt –, erkannte er sofort, dass sie eine Gehirnerschütterung hatte. Aber gottlob atmete sie noch, und es war immer jemand in der Nähe, falls sie Hilfe benötigte.
Rory, der sich von dem Anblick nicht schrecken ließ, trat neben Cash und ergriff die Hand seiner Schwester. “Es wird wieder alles gut werden, Tippy. Ganz bestimmt.”
“Aber sicher”, sagte sie. Ihre Stimme klang matt, weil sie so viele Medikamente bekommen hatte. “Mein Kopf tut so weh”, stöhnte sie. “Ich habe mich schon zweimal übergeben müssen. Und meine ganze Seite schmerzt furchtbar …”
Sie hob die Augen und sah an ihm vorbei zu Cash. In ihrem Blick zeigte sich keine Reaktion. Er hatte den Eindruck, dass sie durch ihn hindurchsah.
“Brauchst du irgendetwas?”, fragte er leise.
Sie atmete schwer und schaute auf ihre Hände. “Könntest du Rory zu meinem Apartment fahren? Ich brauche meine Versicherungskarte. Falls es dir nichts ausmacht”, sagte sie grimmig. “Der Arzt, der meine Einlieferung veranlasst hat, war gerade hier. Er sagte, ich hätte schwere Rippenprellungen und eine leichte Gehirnerschütterung. Ich muss mindestens noch drei Tage im Krankenhaus bleiben. Sie wollen sichergehen, dass ich keine Lungenentzündung bekomme. Sie haben mir schon Antibiotika gegeben. Die Gehirnerschütterung ist nicht besonders heftig, und bei der Computertomografie haben sie keine größeren Verletzungen feststellen können – jedenfalls keine besorgniserregenden. Die Schnitte sind Gott sei Dank nicht besonders tief. Er glaubt, dass sie auch ohne plastische Chirurgie vollkommen heilen. Aber es wird eben ein paar Monate dauern. Danach wird man sehen, ob doch noch eine Operation nötig ist.”
Cashs Miene war unbeweglich. “Warum hat Stanton dir
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