Wenn es Nacht wird in Manhattan
bin zu müde.”
“Iss dein Abendessen.”
Er reichte ihr eine Gabel. Sie holte tief Luft und begann zu essen, obwohl sie keinen Hunger hatte. Aber das Essen war wirklich gut.
“Ich habe übrigens Joel Harper angerufen”, sagte er. Dass er mehrere Ferngespräche hatte führen und auch einige Drohungen aussprechen müssen, ehe er den Mann am Telefon hatte, verschwieg er allerdings. “Er hat Probleme mit dem Film, an dem er gerade arbeitet, und deshalb wird es mindestens noch drei Monate dauern, ehe er zurückkommt. Er sagte, du sollst dir keine Gedanken über deine Versicherung machen. Wenn sie nicht genug zahlen, wird er die Summe aufstocken – sozusagen als Vorschuss zu deiner Gage.”
Vor Erleichterung wäre sie fast in Tränen ausgebrochen. “Gott sei Dank”, flüsterte sie. “Ich habe mir solche Sorgen gemacht …”
“Lass dein Hühnchen nicht kalt werden”, empfahl er ihr. “Ich habe es in der Cafeteria gegessen. Es ist wirklich gut.”
Sie nahm noch einen Bissen. “Das ist ein italienisches Rezept. Wenn ich Zeit habe, kann ich das auch machen.”
“Rory versteht sich ausgezeichnet auf Barbecue.”
Sie hob das Gesicht und schaute ihn an. “Das stimmt. Woher weißt du das?”
“Er hat es mir erzählt.” Er zupfte an seinem Ärmel. “Er ist ein prachtvoller Junge.”
“Ja, das stimmt.”
“Ich habe ihm gesagt, er könnte auch bei mir wohnen, wenn die Schule zu Ende ist.”
Sie zögerte. “Ich weiß nicht. Bis dahin werde ich wahrscheinlich schon wieder arbeiten.”
“Wahrscheinlich nicht”, gab er zurück. “Es ist doch erst Anfang April. Joel wird frühestens im Juli oder August zurück sein.”
Sie seufzte und aß den letzten Bissen Huhn. “Ich dachte, du hast etwas gegen Bindungen.”
Er schlug seine langen Beine übereinander. “Du könntest aus nächster Nähe beobachten, wie Politik gemacht wird”, sagte er ausweichend. “Calhoun Ballenger tritt gegen einen unserer ältesten Senatoren für die Demokraten an. Die Vorwahl ist am ersten Dienstag im Mai. Alles deutet auf einen ziemlich spannenden Wahlkampf hin.”
“Ich habe nicht viel Ahnung von Politik.”
“Es wird dir bestimmt Spaß machen, einiges darüber zu lernen”, lächelte er.
“Meinst du?” Sie öffnete den Eiskrembecher.
“Du hast deine Erbsen nicht gegessen”, sagte er vorwurfsvoll.
“Ich mag Erbsen nicht.”
“Gemüse ist gut für dich.”
“Nur Gemüse, das ich mag, ist gut für mich”, verbesserte sie ihn. Sie nahm einen Löffel Eiskrem. Das Kauen hatte ihr wegen ihrer zahlreichen Gesichtsverletzungen Mühe bereitet. Aber das Eis schmolz auf ihrer Zunge.
“In Jacobsville gibt es eine Eisdiele, in der du sämtliche Geschmacksrichtungen kriegen kannst, die es gibt”, sagte er. “Ich zum Beispiel bin ganz wild auf Erdbeereis.”
“Das mag ich auch am liebsten.” Sie legte den Becher und den Holzlöffel zurück aufs Tablett. Bei dieser Bewegung verzog sie schmerzhaft das Gesicht.
“Tut’s immer noch so weh?”, fragte er teilnahmsvoll.
Sie nickte und ließ sich zurück aufs Kissen fallen. “Hätte ich doch nur eine Pistole und wäre fünf Minuten allein mit Sam”, seufzte sie heiser. “Zu meiner Ehrenrettung kann ich allerdings sagen, dass ich ihm einen Schwinger verpasst habe, als er merkte, dass er kein Geld für mich bekommen würde. Seinen ersten Schlag habe ich sogar abwehren können. Dann hat er nach dieser Flasche gegriffen, und ich habe den Halt verloren. Ich wünschte, er wüsste, wie es sich anfühlt, gebrochene Rippen und eine Gehirnerschütterung zu haben.”
“Immerhin hat er eine hübsche Schusswunde”, erzählte er ihr.
Sie runzelte die Stirn. “Er wurde angeschossen?”
“Ja. Dummerweise bin ich ausgerutscht; sonst hätte er mehr als eine Kugel abgekriegt.”
Mit offenem Mund und großen Augen starrte sie ihn an. “Du hast mich da rausgeholt … das hat der FBI-Agent also gemeint, als er sagte, dass es eine Störung gegeben hätte. Du hast mich also gefunden!”
“Ja”, gab er zu. “Ich hatte nicht viel Vertrauen zu den Beamten, die sie auf deinen Fall angesetzt hatten. Sie saßen mit Rory in deinem Apartment und warteten auf einen Anruf, von dem keiner wusste, ob er überhaupt kommen würde. Ein ehemaliger Kollege hat mir dabei geholfen, Stanton und seine Kumpel aufzuspüren.”
“Ich habe mich schon gewundert”, erwiderte sie leise. “Keiner wollte mir nämlich sagen, was passiert war.”
“Sie wussten es nicht”, sagte er leichthin.
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