Wenn es Nacht wird in Miami
Wahrheit.
„Wissen Sie was, Kincaid? Sie können mich mal …“
Damit drehte sie sich auf dem Absatz um und rauschte aus der Küche. Im Stillen wünschte sie ihm von ganzem Herzen, dass er an seiner Hähnchenkeule ersticken möge.
3. KAPITEL
Drei Tage waren seit jenem Wortwechsel in der Küche vergangen, und Carly hatte sich noch immer nicht beruhigt. Trotzdem blieb ihr um Rhetts willen nichts anderes übrig, als gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Sie selbst störte es nicht, dass sie Mitch seitdem nicht zu Gesicht bekam. Aber Rhett tat es nicht gut, in einer so gespannten Atmosphäre zu leben. Carly war sich sicher, dass kleine Kinder so etwas merken. Außerdem lag ihr daran, dass Rhett eine Beziehung zu seiner Familie aufbaute, und als Hauptperson stand zurzeit nun einmal nur Mitch zur Verfügung. Carly bedauerte es, dass Nadia nicht in Florida sein konnte. Eine Frau als Vermittlerin wäre sicherlich hilfreich gewesen.
Ein frischer Windstoß wehte von der See herüber und hob den Rock von Carlys Kleid ein wenig an. Ja, sie trug tatsächlich ein Kleid. Es war zwar nur ein einfaches pfirsichfarbenes Sommerkleid, aber für ihre Verhältnisse fast schon eine Sensation. Von klein auf hatte sie lieber praktische Kleidung getragen. Hübsche Kleider waren immer Marlenes Sache gewesen.
An diesem Mittwoch stand endlich wieder ein gemeinsames Abendessen auf dem Programm, und dazu passte ein Kleid besser als eine Trainingshose. Der Schwertfisch lag auf dem Grill und verbreitete einen Duft, bei dem Carly das Wasser im Munde zusammenlief. Bis Mitch aus dem Büro nach Hause kam, blieb noch Zeit, mit Rhett auf dem Rasen Ball zu spielen. Wenn Mitch sich nach seinen Anspielungen am Sonntag etwas dabei dachte, dass sie sich ein wenig für diesen Abend herausgeputzt hatte, war das sein Problem. Carly war gewiss nicht auf romantische Abenteuer aus. Die hatte sie sich schon lange aus dem Kopf geschlagen.
Sie hörte Schritte hinter sich auf dem Pflaster der Terrasse und drehte sich um. Mitch steuerte auf sie und Rhett zu. Unwillkürlich ging ihr Puls schneller.
Sie stupste Rhett an und zeigte auf Mitch. „Guck mal, wer da kommt.“
Rhett strahlte über das ganze Gesicht. „Buba!“
Mitch hatte es gehört und runzelte kurz die Stirn. Der Hausherr von Kincaid Manor konnte sich offensichtlich nur schwer daran gewöhnen, jemandes „Buba“ zu sein. Carly feixte schadenfroh hinter vorgehaltener Hand.
Als er bei ihnen stand, blickte er sich suchend um. „Wo ist Mrs. Duncan?“
„Ich habe ihr freigegeben“, antwortete Carly.
Mitch sah sie verwundert, aber sichtlich auch ein wenig verärgert an. „Carly, das haben Sie nicht zu entscheiden.“ Ein roter Ball näherte sich seinen Füßen. Mitch bückte sich und rollte ihn behutsam zu Rhett zurück.
„Balla!“, freute sich Rhett.
Carly, die die Szene verfolgt hatte, freute sich ebenso, weil es das erste Mal war, dass Mitch spontan auf Rhett einging, und wenn es auch nur diese winzig kleine Geste war.
„Mrs. Duncan hat ihre festen freien Tage. Ich möchte nicht, dass Sie ihr einfach so freigeben“, setzte Mitch zu einer Strafpredigt an.
„Nur hat sich bedauerlicherweise Mrs. Duncans Schwester nicht an diese freien Tage gehalten. Sie ist heute Vormittag ins Krankenhaus eingeliefert worden, und ich hielt es für selbstverständlich, dass Della hinfahren kann, um ihr beizustehen.“
Mitch stieß hörbar die Luft aus und ließ die Schultern sinken. „Das hätten Sie auch gleich sagen können.“
Carly ignorierte seinen Kommentar und deckte den schmiedeeisernen Tisch mit der Glasplatte, der für das Abendessen in den Garten gebracht worden war. Dann stellte sie die Platte mit dem eingelegten Gemüse auf den Tisch.
„Was wird das?“, fragte Mitch misstrauisch.
„Unser Abendessen. Ich habe gedacht, bei dem schönen Wetter wäre es ein Jammer, drinnen zu sitzen. Ziehen Sie Ihr Jackett aus, und machen Sie es sich bequem.“
Carly förderte aus einer Kühlbox zwei Schalen mit Shrimp-Cocktail zutage. Die doppelwandigen Gefäße waren außen mit Eis aufgefüllt. Sie gehörten zu den Gegenständen im Haushalt der Kincaids, die Carly immer wieder erstaunten. Wenn es bei ihren Eltern einmal Shrimp-Cocktail gab, was selten genug geschah, kam der in den schwarzen Plastikschälchen aus dem Feinkostladen auf den Tisch.
Mitch legte die zusammengefaltete Zeitung, die er in der Hand hielt, neben seinen Teller und hängte sein Jackett über die Stuhllehne. „Sie haben
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