Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
sonderlich anstrengen müssen.
Aus der Sitzreihe unter der Bühne war ein leises Klatschen zu hören gewesen. »Sehr gut, meine Liebe. Sehr gut. Mal was anderes, aber im positiven Sinne. Was hältst du davon, David?«
Ein zweiter Mann hatte sich neben ihn gesetzt. Ich hatte ihn nicht kommen sehen, jedenfalls saß er nun neben Fitz. Er trug einen schicken grauen Anzug, hatte ein schmales Gesicht und kurze blonde Haare. »Ja. Die geht.«
»Komm, setz dich zu mir, bezaubernde Genevieve.«
Ich hatte meinen Rock wieder angezogen und kam von der Bühne. Ich lief über den Teppichboden, knöpfte meine Businessbluse zu und setzte mich zu den beiden Männern an den Tisch. Ich zeigte wieder mein professionelles Auftreten.
Norland erklärte mir die Regeln.
»Okay, es läuft folgendermaßen: Du kannst heute Abend probeweise anfangen. Wenn du den Kunden gefällst, engagieren wir dich für einen ganzen Abend. Das heißt, mindestens fünf Tänze auf der Bühne, wenn du gefragt bist, auch mehr. Du darfst auch privat für jemanden an der Stange tanzen; dafür haben wir das Blaue Zimmer. Zwischen den einzelnen Tanzeinlagen setzt du dich zu den Kunden und trinkst mit ihnen – dafür bekommst du Provision. Für einen persönlichen Stripteasetanz gibt es dreißig. Extras machst du keine. Du nimmst weder Telefonnummern entgegen, noch lästerst du außerhalb des Clubs über irgendwelche Kunden. Wenn du mit Gästen in den VIP -Bereich gehst, wirst du für deine Zeit bezahlt. Es gibt zweihundert pro Stunde plus Trinkgeld. Die Abgaben pro Abend belaufen sich auf fünfzig. Alles klar?«
»Und wenn es mir nicht gefällt?«
Die beiden Männer lachten.
»Bist du denn nicht scharf darauf, tausend aufwärts pro Nacht zu verdienen?«, fragte Norland.
»Das verdiene ich schon locker mit dem, was ich tagsüber tue«, hatte ich gesagt. Das stimmte zwar nicht ganz, aber das wussten sie ja nicht. »Ich tanze, weil es mir Spaß macht.«
Fitz hatte gelächelt, ein überraschend warmherziges Lächeln. »Es wird dir schon gefallen. Wenn nicht, musst du nicht bleiben. In Ordnung?«
Ich hatte genickt. »Danke.«
»Künstlername«, hatte Fitz gesagt. »Was meinst du, David?«
»Ich finde Genevieve ziemlich cool«, hatte er geant wortet.
»Idiot!«, hatte Fitz geantwortet und mich dabei unverwandt angesehen. »Sie kann doch nicht ihren echten Namen benutzen. Wie wär’s mit Viva?«
»Viva«, wiederholte ich.
Norland hatte genickt. »Ich setze sie heute Abend auf die Liste.«
Beim Rundgang durch den Club waren mir vor allem zwei Dinge auf Anhieb aufgefallen: Erstens stank es hier nach Geld, nach richtig viel Geld, zweitens: Norland war ein Arschloch. Er war arrogant, verschlagen und viel zu sehr von sich überzeugt. Sein Aftershave trug er wie eine Waffe vor sich her.
»Das sind die Umkleiden«, sagte er und führte mich durch eine diskrete Tür hinter der Bühne, auf der Staff Only stand. »Du kannst dich mit den anderen Mädels um einen Schminktisch streiten, wenn du dran bist.«
»Hat denn nicht jede einen eigenen Schminktisch?«, fragte ich. Ich hätte lieber meinen Mund halten sollen.
»Am Wochenende arbeiten hier viele Mädchen«, sagte er. »Für Egoisten ist da kein Platz.«
Wir waren zurück in den Club und seitlich einen Gang hinuntergegangen. Fernab von der Tanzfläche war der Teppichboden so dick, dass man unsere Schritte nicht hören konnte. An den Türen rechts an der Wand hingen Schilder, auf denen stand: Harem, Justice, Boudoir. Vor der letzten Tür blieb Norland stehen. Auf deren Messingschild stand: Blaues Zimmer. Vermutlich hatte man es wegen seiner Inneneinrichtung so genannt: Die Wände waren blau tapeziert, überall standen goldfarbene Möbel, an den Fenstern hingen schwere Samtvorhänge mit Goldkordeln. In der Mitte des Raumes befand sich eine runde Parkettfläche mit einer goldenen Stange in der Mitte. Die Decke war in diesem Raum höher, die Stange reichte bis hinauf zu den Stuckverzierungen.
»Wow«, hatte ich gesagt und mit der Hand die Stange geprüft.
Norland hatte geschmunzelt.
»Auf die Größe kommt es an, was?«
Ich hatte nichts darauf gesagt.
»Schaffst du es bis ganz hinauf?«, hatte er mich gefragt und mit dem Kopf nach oben gezeigt.
»Natürlich«, hatte ich kühl geantwortet.
»Das schaffen nur wenige. Genau genommen war Karina die Letzte, die das geschafft hat, und das war vor fünf Jahren.«
Mir gefiel der hohe Raum. Für mich konnten die Stangen nie hoch genug sein. Der Gedanke, mich bis
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