Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
mitangehört hatte.
»Ja. Er hält sich jedenfalls an die Regeln. Die meisten anderen Türsteher lassen sich von den Ausländerinnen schmieren. Sie drücken in der VIP -Lounge ein Auge zu, behalten die Stammgäste im Auge und geben dir ein Zeichen, sobald einer auftaucht.«
»Tun sie das nicht ohnehin?«
»Nur, wenn du ihnen jeden Abend zwanzig Mäuse gibst.«
»Lohnt sich das denn? Wir können uns doch selbst nach den Stammgästen umsehen?«
»Das kann hilfreich sein, wenn du in einem Monat mal mehr Geld brauchst«, sagte sie. »Außerdem geht es nicht nur um deine Stammgäste. Sie wissen auch, wer die Leute mit viel Kohle sind. Wenn im Club viel los ist, und du dich gerade mit jemandem unterhältst, siehst du nicht, wer reinkommt … Manchmal kommen sie auch zu dir und sagen dir, wer gerade eingetroffen und wer gerade in der Garderobe ist, bevor die anderen Mädchen davon erfahren. Das gibt dir einen gewissen Vorsprung.«
Der Abend schien sich mehr und mehr zu einem Geschäftsessen als zu einem Mädelsabend zu entwickeln.
»Und das macht Dylan nicht?«
»Zumindest habe ich das noch nie gesehen. Darum gehen ihm die Ausländerinnen auch fast alle aus dem Weg. Außerdem besorgt er ihnen keine Drogen. Wenn sie was brauchen, müssen sie zu Gray gehen.«
»Ist Gray ein Dealer?«
Sie lachte. »Du bist vielleicht witzig! Nein, er ist kein echter Dealer, er besorgt nur Stoff, wenn jemand mal was braucht. Im Club werden keine Mädchen mit Suchtproblemen engagiert, aber wenn du mal was brauchst, um wieder munter zu werden, ist Gray dein Ansprechpartner.«
»Jetzt ist mir Dylan schon sympathischer«, sagte ich.
Caddy ging an die Bar und holte neue Drinks, schien aber nicht dafür bezahlen zu müssen, so wie sie mit dem Barmann flirtete und mit dem Hintern wackelte, als sie wieder zu unserem Tisch zurückkam.
»Der Typ hinter dem Tresen ist süß«, sagte sie.
»Und er ist kein Stammkunde, also frei«, sagte ich.
»Glaubst du, ich sollte ihm meine Nummer geben?«, fragte sie und nippte an ihrem Drink.
»Warum nicht?«
Sie antwortete nicht, sondern drehte sich um und sah wieder zum Tresen, von wo aus der Barmann sie immer noch anstarrte. Sie wirkte für einen Moment traurig und nachdenklich.
»Du bist schon mit jemandem zusammen«, sagte ich.
»Nein«, erwiderte sie rasch. »Aber in unserem Job ist eine Beziehung nicht leicht – frag Chanelle!«
»Wie bist du zum Tanzen gekommen?«, fragte ich, weil sie mich neugierig gemacht hatte.
»Ich habe damit angefangen, um mir nebenbei noch was dazuzuverdienen«, sagte sie. »Ich habe am Wochenende in einem Restaurant gekellnert und ein Mädchen kennengelernt, das aber kurz darauf ging. Ein paar Wochen später habe ich sie in einer Bar getroffen, und sie hat mir vorgeschwärmt, wie viel Geld sie verdiene. So wie sie es erzählt hat, klang es einfach.«
»Und so hast du im Barclay angefangen?«
»Nein«, sagte sie. »Ich habe zuerst in einem Stripclub gearbeitet. Das ist nicht so wie im Barclay. Man hat dort zwar auch seinen Spaß, aber das Niveau ist niedriger. Dafür verdient man ziemlich gut, weil es keine Abgaben gibt und man nur eine Kommission an die Bar zahlt.«
Der Barmann sah noch immer zu ihr herüber. Aber Caddy ignorierte ihn inzwischen.
»Wie dem auch sei, du bist also tatsächlich ins Barclay gegangen, um zu üben? Was hat Dylan gesagt?«
»Er hat mir Tipps gegeben«, sagte ich.
Caddy lachte und strich sich eine Strähne aus den Augen. »Ich wette, für ihn war das Ostern, Weihnachten und Geburtstag auf einmal. Hast du für ihn gestrippt?«
»Nein!«, antwortete ich entsetzt. »Ich habe nur ein bisschen an der Stange getanzt und versucht, meine Schuhe nicht zu verlieren.«
»Und?«
»Es ist mir gelungen, aber es fühlt sich komisch an, vor allem kopfüber. Mit Schuhen fühlen sich meine Beine schwerer an.«
Ich dachte an das, was vor ein paar Stunden passiert war. Wie Dylan neben der Bühne gesessen und mir zugesehen hatte. Mit ausdruckslosem Gesicht und in der Hoffnung, dass ich bald ginge, damit er wieder seinen Geschäften nach gehen konnte.
»Was macht er eigentlich genau?«
»Wer?«
»Dylan. Ist er Türsteher?«
»Nein. Er hilft nur manchmal aus, wenn im Club viel los ist – das tun sie aber alle, wenn es sein muss. Dylan arbeitet für Fitz, aber nicht im Club. Er ist schon seit Jahren bei ihm.«
»Und wie genau sieht seine Arbeit aus?«
Caddy zuckte die Achseln, lächelte dem Barmann zu und war darauf aus, uns eine weitere Runde
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