Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
des Clubs. Obwohl niemand da war, brannten die Lichter. Wenn ich ohnehin alleine war, musste ich mich auch nicht großartig umziehen. Ich zog meine Schuhe und Jeans aus. Der pole-dance -Unterricht bei Karina fand immer barfuß statt, mir fiel es also schwer, in High Heels zu tanzen. An meinem ersten Abend im Barclay hatte ich mit High Heels begonnen, sie dann aber bei meinen ersten Climbs und Spins schnell ausgezogen, doch kein anderes Mädchen tanzte ohne Schuhe. Und so hatte ich ein Paar Plateau-Schuhe mit Riemchen und beeindruckend hohen Absätzen in meine Tasche gepackt, die robuster waren, als sie aussahen, und in denen ich gerade noch gehen konnte.
Die Klimaanlage lief, es war kühl, und so machte ich ein paar Dehnübungen und hüpfte ein paar Mal auf der Stelle, um mich aufzuwärmen.
Ich zog die High Heels an und lief zunächst im Raum auf und ab. Ich versuchte, nicht auf meine Füße zu gucken, entschlossen zu wirken und den Raum für mich einzunehmen. Ich kam mir lächerlich vor, doch das war immer noch besser, als in einem Club voller potentieller Kunden herumzustolpern.
»Das sieht ja aus, als würdest du einen Konferenzraum betreten«, sagte jemand.
Dylan lümmelte im Halbdunkel in einer Sofaecke in Türnähe. Ich war schon daran gewöhnt, dass die Kerle mich anstarrten, doch den unerwarteten Zuschauer empfand ich damals als irgendwie unheimlich.
»Ich habe doch schon gesagt, dass ich üben muss«, sagte ich. »Und das kann ich auch, ohne dass du mir dabei zusiehst.«
»Ich versuche nur zu helfen.«
Er rührte sich nicht von der Stelle.
Egal wie unheimlich es war, ganz falsch hatte er nicht damit gelegen. Ich versuchte, meine Hüften etwas mehr zu wiegen, setzte einen Fuß vor den anderen, hielt Kopf und Rücken gerade …
»Schon besser, aber jetzt siehst du aus, als wolltest du gleich jemanden anspringen. Versuch doch mal zu lächeln.«
Diesmal ignorierte ich ihn. Ich hatte mich inzwischen so weit aufgewärmt, dass ich mich in den Schuhen sicher fühlte. Ich ging die Stufen zur Bühne hinauf und trat ins Scheinwerferlicht. Das war viel besser. So konnte ich ihn nicht sehen.
Ich ging ein paar Mal um die Stange herum, um mich dar an zu gewöhnen, dass ich in den High Heels größer war. Ich stakste unelegant mit den hohen Absätzen auf dem Laminat umher.
Ohne Vorwarnung ertönte ein heftiger Beat. Dylan stand in der Box des DJ und drehte die Musik etwas leiser.
Er will etwas zu sehen bekommen, dachte ich. Ich hatte keine Ahnung, wer er war, aber mir wurde klar, dass es doch besser war, Publikum zu haben. Besser als alleine zu üben. Und die Musik war eine Hilfe.
Ich begann mit ein paar einfachen Drehungen, Moves und Kicks, hielt mich an der Stange fest, legte den Kopf in den Nacken und schlang meine Beine um die Stange, um mir Halt zu verschaffen. Normalerweise hatte ich genügend Kraft in den Beinen, um meine Hände von der Stange zu lösen, doch durch die Schuhe waren meine Beine schwerer geworden, und ich war mir nicht sicher, ob ich mich halten konnte. Also hielt ich mich wieder mit den Händen fest, kreuzte die Knöchel, spreizte die Beine, beschrieb Drehungen bis zum Boden und wand mich dann an der Stange nach oben, bis ich wieder aufrecht stand.
Die Übungen an der Stange mit den Schuhen hatten mich so beansprucht, dass ich Dylan fast vergessen hatte.
»Du bist eine gute Tänzerin«, sagte er.
Er war an die Bühne herangerückt, saß an der Bar.
»Wer bist du?«, hatte ich ihn mit dem Rücken zur Stange gefragt und mich weiter gedreht.
Dann war der Song vorbei. Bevor der nächste anfing, verließ ich die Bühne und ging zu ihm. Er hatte auf einem Barhocker gesessen und nicht mehr so bedrohlich gewirkt wie draußen auf der Treppe.
»Dylan«, hatte er gesagt und mir seine große Pranke hingestreckt.
Ich schüttelte sie. »Arbeitest du hier?«
»So was in der Art.«
»Ich sehe dich heute zum ersten Mal.«
»Du bist ja auch neu hier«, sagte er.
Ich nahm eine Flasche Wasser aus meiner Tasche, trank daraus und sah ihn an. »Du musst nicht hierbleiben«, sagte ich.
Doch er blieb. Mir dämmerte, dass er mir nicht traute und dachte, ich könnte Geld aus der Kasse klauen. Seine Anwesenheit war irgendwie beklemmend, es war mir unangenehm, mit ihm alleine zu sein.
Als sein Handy klingelte, ging er dran und lief in Richtung Clubtür. Ich sah ihm nach, bis die Tür hinter ihm zufiel.
Dann kehrte ich zur Stange zurück und übte weiter meine Drehungen. Ich versuchte, in den dämlichen
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