Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
Kaffee. Er war kalt, auf seiner Oberfläche schwamm Sägemehl.
Ich beendete die Arbeit im Steuerhaus, denn die Kabine war voller Staub. Doch darum konnte ich mich jetzt nicht kümmern. Ich ließ alles stehen und liegen und ging zur Painted Lady hinüber, als Joanna gerade mit einer Tasse und einem Teller an Deck kam.
Sie winkte mir zu, als sie mich sah.
»Willst du was? Liam macht gerade Frühstück.«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, danke.«
»Dann hol dir wenigstens einen Kaffee.«
Ich ging die Treppe in die Kabine hinunter. Liam stand in der Kombüse und hantierte mit einer Pfanne, in der es knisterte und brutzelte und aus der dünne Rauchschwaden aufstiegen. Ich freute mich, dass es in ihrer Kabine noch chaotischer aussah als in meiner.
»Morgen«, sagte er fröhlich. Er sah aus, als hätte er nicht geschlafen.
»Hi«, sagte ich. »Wie geht es dir?«
»Nicht schlecht. Ich habe ein bisschen viel getrunken. Manda hatte Geburtstag.«
»Oh, alles klar.« Ich holte mir die letzte saubere Tasse und schenkte mir Kaffee ein. Ich ließ ihn schwarz und nahm ihn nach oben an Deck. Joanna hatte ihr Gesicht der Sonne zugewandt und kaute wie ein Hamster auf dem Specksandwich herum.
»Wie ich hörte, hattet ihr einen netten Abend. Wer ist Manda?«
»Schwester«, murmelte sie mit vollem Mund.
»Oh, ihr habt euch also versöhnt?«
»Das ist wieder eine andere Schwester.«
Ihre Prellung wurde langsam gelb und war nur noch ein Streifen unter dem Auge, den man auch für Übermüdung halten konnte. Draußen auf dem Fluss war Motorenlärm zu hören, der immer näher kam, sich dann wieder entfernte und schwächer wurde. Die Sonne schien warm auf unsere Gesichter.
»Der Polizist schien sehr nett zu sein«, sagte sie schließlich.
Ich sah sie an. Ein spitzbübisches Lächeln huschte über ihr Gesicht.
»Du meinst Jim Carling? Er ist nett. Ich mag ihn. Also, wo wart ihr gestern Abend?«
»Ach, nur im Dorf. Im George Vaults und noch ein paar anderen Lokalen.«
»Und wann seid ihr zurückgekommen?«
»Ich weiß nicht genau. Spät. Warum?«
»Ich wollte nur wissen, ob ihr gestern Abend irgendwas oder irgendwen gesehen habt. Auf dem Parkplatz, meine ich.«
Sie sah mich verwirrt an.
Als ich zur Revenge zurückging, saß Malcolm auf dem Ponton vor dem Heck der Scarisbrick Jean und machte sich an der Wasserleitung zu schaffen, über die das Boot versorgt wurde. Er schlug auf die Verbindung, verursachte ein lautes, klirrendes Geräusch, das beunruhigend klang und von den Wänden des Büros widerhallte. Er hatte einen hochroten Kopf, Schweißperlen standen ihm auf der Stirn.
Als er mich sah, hielt er kurz inne.
»Das hört sich ja schlimm an«, sagte ich.
»Irgendwas ist verstopft, glaube ich«, sagte er. »Der Wasserdruck ist lächerlich.«
Ich hätte ihm am liebsten gesagt, dass es nichts nutzte, wenn er deshalb auf die Leitung schlug, aber er sah so entmutigt aus, dass ich mich beherrschte. »Magst du eine Tasse Kaffee?«, fragte ich ihn stattdessen.
Er strahlte. »Hast du noch ein Bier?«
»Klar. Ist vielleicht etwas warm.«
Wir saßen auf der Sonnenseite des Decks, wo ich vor fast einer Woche mit Ben gesessen und Bier getrunken hatte.
»Wie geht es Josie?«
»Im Großen und Ganzen ganz gut«, sagte er. »Sie hat wenig geschlafen, macht jetzt ein Nickerchen.«
»Es tut mir wirklich leid«, sagte ich.
»Ich verstehe bloß nicht: Warum ausgerechnet Oswald? Und warum haben sie mitten in der Nacht eine Katze umgebracht? Das ergibt doch gar keinen Sinn.«
»Ich weiß.«
»Schweine!«
»Ich habe jemanden weglaufen gehört.«
»Und du hast nichts gesehen?«
»Nein.«
Er schüttelte den Kopf, nahm einen kräftigen Schluck Bier und rülpste dann lange und ausgiebig.
»Und warum lag er dann bei deinem Boot?«
Ich zuckte die Achseln. Wäre mir ein anderes Gesprächsthema eingefallen, hätte ich es angeschnitten.
»Ich schätze mal, irgendwer in London ist stinksauer auf dich.«
»Auf mich doch nicht!«, sagte ich und versuchte zu lachen.
»Du hast dich doch nicht mit irgendwelchen Einnahmen aus dem Staub gemacht oder so?«
»Nee.«
»Aha«, sagte er. »Dann steckt noch viel mehr dahinter. Mit diesen Schurken aus London ist nicht zu spaßen. Du hast bestimmt etwas getan, das sie verärgert hat. Oder du hast etwas, das sie haben wollen.«
Er verstummte und blickte dann hinaus über den Fluss, nahm einen kräftigen Schluck Bier aus der Flasche. Daran hatte ich noch gar nicht gedacht – an Dylans dummes
Weitere Kostenlose Bücher