Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
dazwischen, so als habe sich dort jemand mühsam entlanggeschleppt. Zu meiner Linken en dete die Spur in einem Haufen aus Schlamm, Schutt und Flussalgen.
Die Fußspuren führten weg vom Boot und hin zur grasigen Brache zwischen dem Hafen und den großen Betonpfeilern der Medway Bridge. Ich verfolgte sie bis zu einem Ponton aus alten, zusammengeschnürten Paletten. Dort waren noch mehr aufgewühlter Schlamm und Fußabdrücke auf den Holzpaletten zu sehen, die weiter bis zum ungenutzten Land unter der Brücke führten.
Jemand war von dort bis zu meinem Boot gelaufen. Er musste sich durch den Schlamm gekämpft haben, und nach den Spuren zu urteilen, musste er ein paar Mal das Gleichgewicht verloren und ein oder zwei Mal hingefallen sein. Es war niemand zu sehen – nichts bewegte sich im Hafen, kein Auto stand auf dem Parkplatz. Nur die Blätter im Gebüsch unter der Brücke bewegten sich im Wind.
Heute Morgen war ich noch erleichtert gewesen, weil die Nacht ohne Zwischenfälle vorbeigegangen war. Ich hatte mir noch Vorwürfe gemacht, weil ich mit weiteren Gräueltaten gerechnet hatte, ohne dass es Anhaltspunkte dafür gab. Doch wie sich herausstellte, hatte ich recht gehabt – jemand war hier gewesen. Jemand, der im Hafen nicht gesehen werden wollte und sich dem Boot deshalb vom Fluss aus genähert hatte.
Ich beugte mich ein wenig weiter vor, mir wurde schwin delig von dem Bier, und der Geruch von stinkendem Schlamm stieg mir in der Nase. Da sah ich, dass die Fußabdrücke direkt unterhalb des Bullauges endeten. Es war das Bullauge, durch das man in meinen Wohnbereich sehen konnte.
20
Am Montag sah ich Dunkerley nicht. Er hatte eine Besprechung nach der anderen, der Tag verlief wie immer hektisch. Als der Feierabend näher rückte, war ich zunehmend erleichtert. Er hatte mir das Leben weiß Gott schon genug zur Hölle gemacht, und ich wollte ihm keine Steilvorlage geben, mich runterzumachen.
Dienstags fanden regelmäßig unsere Meetings statt. Das war normalerweise auch der Tag, an dem er denjenigen herauspickte, der seiner Meinung nach eine besonders schlechte Leistung abgeliefert hatte und einen Tritt in den Hintern benötigte. Wir alle fürchteten diesen Tag.
Doch an diesem Dienstag war alles anders. Er ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, um zu sehen, ob jemand fehlte. Sein prüfender Blick glitt über mich hinweg, weckte aber mein Unbehagen, so als hätte man mich in der U-Bahn begrapscht.
Doch diesmal wurde niemand öffentlich gedemütigt. Er machte sich schweigend Notizen, hatte einen hochroten Kopf, und auf seiner Glatze glitzerten Schweißperlen. Er erkundigte sich nach Auslastung und Profit. Sobald er damit durch war, beendete er das Meeting und sauste davon.
»Was zum Teufel war denn das? Was ist mit ihm los?«, fragte Alan.
Wir feierten unser erstes erträgliches Meeting seit Dunkerleys Eintritt in die Firma mit Kaffee und ausführlichen Gesprächen über sein Benehmen. Ich hatte das ungute Gefühl, es könnte irgendwie mit unserer Begegnung im Club zusammenhängen, sagte aber nichts.
Dunkerley ging mir in der Firma aus dem Weg, und ich begann mich zu entspannen. Vielleicht fürchtete er, ich könnte jedem erzählen, dass ich ihn in einem lap-dance -Club gesehen hatte. Nach Jahren genoss ich wieder meine Arbeit, der ständige Druck war weg.
Das änderte sich allerdings am darauffolgenden Wochenende im Barclay.
Er war schon früh da. Diesmal ohne seine Kumpels. Er hatte direkt vor der Bühne einen Tisch ergattert, saß dort und blickte wie ein Kind im Marionettentheater in freudiger Erwartung dazu auf.
Durch den Türspalt der Garderobe starrte ich in sein hässliches Gesicht.
Nun, ich wusste genau, warum er gekommen war und was er sehen wollte. Es gab keine Chance, ihm zu entgehen.
Er saß bei all meinen Nummern dort und rührte sich nur, wenn ich von der Bühne abging. Ich gab wie immer mein Bestes, doch sein Blick beunruhigte mich. Bei meinem zweiten Tanz rutschte ich aus und fing mich erst im letzten Moment. Er lachte. Das Schwein lachte.
Da wurde ich von Ehrgeiz gepackt und tanzte den restlichen Abend kraftvoll und fehlerlos. Ich würde es ihm schon zeigen!
Ich ging davon aus, dass er mich um einen privaten Tanz bitten würde, darum überraschte es mich nicht, als Helena zu mir in die Umkleide kam, als ich noch mindestens zwei Tänze vor mir hatte.
»Ich habe einen Kunden für dich«, sagte sie.
»Das dachte ich mir schon.«
»Die Sache ist nur, dass er eine kostenlose
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