Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
und alles um mich herum wurde schwarz.
21
Nach dem Zwischenfall mit Dunkerley zählte ich das Geld, das ich angespart hatte. Realistisch gesehen brauchte ich zwischen achtzig und hundert Riesen für einen Frachtkahn in einigermaßen ordentlichem Zustand. Ein Kanalboot hätte ich mir für sehr viel weniger kaufen können, doch das empfand ich als zu beengt. Ich wollte denselben Platz auf einem Boot, den ich auch in einem Haus hätte haben können. Schließlich wollte ich darauf leben und nicht nur Wochenenden darauf verbringen. Dann brauchte ich Bargeld, um es zu renovieren – möglicherweise weitere zwanzig bis dreißig Riesen, wenn das Boot bauliche Mängel aufwies oder es für Schweißarbeiten aus dem Wasser gehoben werden musste. Außerdem brauchte ich noch genügend Geld, um mich mindestens zwölf Monate lang zu finanzieren, auch wenn ich notfalls einen Teilzeitjob annehmen konnte, wenn es nicht reichte.
Ich hatte ungefähr zwei Drittel des nötigen Betrages zusammen; der größte Teil stammte aus dem Verkauf meiner Wohnung vor über einem Jahr. Es war nicht annähernd genug, um auf meinen Job verzichten zu können. Das größte Problem war, dass ich mit dem Tanzen zwar viel Geld verdiente, aber auch Ausgaben hatte. Kleider, Schuhe, Kosmetikartikel – obwohl ich sparsam war, musste ich für Make-up jeden Monat ein kleines Vermögen ausgeben. Ich musste also noch sechs Monate arbeiten, außer ich bekäme noch einmal die Chance, auf einer Party von Fitz zu arbeiten. Dann hätte ich genügend Geld zusammen, um zu kündigen.
Ich fragte mich, ob ich es noch so lange aushalten würde.
Dunkerley ging mir aus dem Weg, war aber wieder ganz der Alte: neue, höhere Leistungsziele wurden vorgeschrieben. Dabei arbeiteten wir ohnehin schon mehr als genug. Woher wir die Zeit für Mehrarbeit nehmen sollten, wusste keiner. Ich blieb nur des Geldes wegen. In anderen Unternehmen unserer Branche wurden Kündigungen ausgesprochen. Ich machte mir daher keine großen Hoffnungen, schnell einen anderen Job zu finden, da Dunkerley mein Arbeitszeugnis schreiben musste.
Ich würde also bleiben und versuchen müssen, so gut wie möglich mit Dunkerley auszukommen.
Eine Woche nach dem Zwischenfall in der U-Bahn, wieder ein Freitag, wurde mir zum ersten Mal klar, dass Dunkerley nicht aufgeben würde. In meiner Schreibtischschublade fand ich auf einem Stapel Unterlagen einen Flyer von einem lap-dance- Club.
Ich nahm ihn und marschierte in Dunkerleys Büro. Er war alleine und tat beschäftigt. Ich knallte ihm den Flyer auf den Tisch.
»Was soll das?«, sagte ich wütend.
Er grinste. »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst«, sagte er. »Was ist das – suchst du einen neuen Job?«
»Warum tust du so was?«, fragte ich ruhiger.
Sein Gesichtsausdruck änderte sich.
»Du weißt genau, warum. Du hast mich aus dem Club werfen lassen. Das war demütigend.«
»Ich habe nichts dergleichen getan«, sagte ich und versuchte, die Sache ein wenig zu beschönigen. »Der Manager hat mir gesagt, dass du eine Privatvorführung gratis wolltest. So etwas mögen die dort nicht, das verstehst du doch sicher. Es gibt dort nichts gratis, und wenn man trotzdem danach verlangt, wird es als Beleidigung aufgefasst. Darum bist du rausgeschmissen worden.«
»Wärst du nicht in diesem Club gewesen – hättest du mir dann eine Privatvorführung gratis gegeben?«
»Nein, natürlich nicht«, sagte ich.
»Warum nicht?«
»Weil du ein ekelhafter kleiner Scheißer bist. Abgesehen davon, dass du mein Vorgesetzter bist und ich so etwas für absolut unangemessen halte.«
»Du Flittchen« sagte er. »Verschwinde aus meinem Büro!«
Ich marschierte in die Personalabteilung. Ekelhaft konnte auch ich mich benehmen. Im Personalbüro erzählte ich ganz außer Atem, nervös und mit Tränen in den Augen, dass er mich sexuell belästige, und ich das nicht mehr ertrage. Die Personalchefin hörte mir verständnisvoll zu, als ich ihr erzählte, dass ich ihm in einem Nightclub begegnet sei, er mich angemacht habe und seitdem ständig zweideutige Andeutungen mache. Ich zeigte ihr den Flyer.
»Das hat er in meine Schreibtischschublade gesteckt«, sagte ich.
»Woher wissen Sie, dass er es gewesen ist?«, fragte sie.
»Ich bin zu ihm gegangen und habe ihn darauf angesprochen. Zuerst hat er es abgestritten und dann gesagt, ich solle doch mal für ihn tanzen.«
»Verstehe.«
Sie bat mich, ihr einen Bericht zu schreiben und detail liert alle Vorfälle aufzulisten, an die
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