Wenn es Nacht wird: Psychothriller (German Edition)
nicht?«
Ich lachte. »Ich schlafe schlecht an Land.«
»Du musst ja nicht schlafen.«
In dem Moment wurde mir klar, dass ich es ihm erzählen wollte. Vielleicht nicht alles, aber doch so viel, dass er verstand.
»Ich muss auf dem Boot bleiben.«
»Warum?«
»Die Männer, die auf dem Boot waren und mich gefesselt haben, haben nach etwas gesucht. Wenn ich das Boot verlasse, kommen sie zurück.«
»Wonach haben sie gesucht?«
»Das weiß ich nicht genau. Ich weiß nur, dass sie das Boot auf den Kopf gestellt haben, also müssen sie wohl nach etwas gesucht haben.«
Er setzte sich im Bett auf, stopfte sich die Kissen in den Rücken und machte das Licht über uns an. »Wenn du nicht weißt, wonach sie gesucht haben, woher willst du dann wissen, dass sie es nicht längst gefunden haben?«, sagte er nicht ganz unlogisch.
Ich blinzelte.
»Genevieve, du musst es mir sagen.«
»Muss ich nicht.«
Er schüttelte langsam den Kopf. »Herrgott!«, sagte er wie zu sich selbst und dann: »Warum bin ich eigentlich hier? Das ist doch alles total verrückt.«
»Hör zu«, sagte ich und versuchte ihn zu trösten. »Sie machen mir keine Angst. Sie sind zwar böse, aber ich hatte schon früher mit ihnen zu tun. Ich muss mir nur überlegen, wie ich das Gesuchte von Bord bekomme, damit ich keine Zielscheibe mehr für sie bin.«
»Du kanntest Caddy Smith, nicht wahr?«, sagte er.
Ich nickte.
»Warum hast du mir das nicht schon vorher gesagt?«
»Du hast gesagt, sie heißt Candace.«
»Verkauf mich nicht für blöd, Genevieve! Du hast sie schon im Wasser erkannt und eine Falschaussage gemacht.«
»Nein, habe ich nicht. Es war dunkel. Ich habe eine Leiche gesehen. Sie sah ihr ähnlich, aber ich war mir nicht sicher.«
»Genevieve, erzähl es mir! Was meinst du damit, du hattest schon vorher mit ihnen zu tun? Wer sind sie? Was wollen sie von dir?«
Ich schwieg.
Er stieg aus dem Bett und sammelte seine Kleider auf, die überall auf dem Boden verteilt waren. Ich sah ihm wortlos dabei zu und fragte mich, warum er so schlechte Laune hatte. Lag es nur daran, dass ich nicht alles noch schlimmer machen und ihm den ganzen Dreck aus dem Barclay verschweigen wollte? Was hätte er tun können? Zu Fitz gehen und ihn freundlich bitten, mich in Ruhe zu lassen?
Er hatte sich angezogen und streifte sich gerade den Pullover über.
»Was machst du jetzt?«, fragte ich.
»Was schon? Ich gehe nach Hause«, sagte er. »Und so verrückt das auch klingen mag, mein Angebot steht noch, falls du doch mitkommen willst. Aber vermutlich willst du gar nicht.« Er war stocksauer. Ich konnte ihm ansehen, wie verärgert, aber vor allem wie enttäuscht er war. Als er fertig angezogen war, kam er zum Bett und küsste mich leidenschaftlich, als wäre es das letzte Mal. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und versuchte, ihn wieder ins Bett zu ziehen, doch er wollte nichts davon wissen.
Es war ein Abschiedskuss.
Mein zweiter Besuch in Fitz’ Haus veränderte alles: für Fitz, für Dylan, für Caddy und mich.
Ich hatte mich die ganze Woche darauf gefreut, erstens, weil ich meine Ersparnisse gehörig aufbessern konnte, auch wenn ich keine bessere Bezahlung ausgehandelt hatte, und zweitens, weil Caddy diesmal auch mit dabei war.
Ein zusätzlicher Pluspunkt war, dass ich nicht mehr mit Dunkerley zu tun hatte, sondern vorübergehend Gavin seine Position einnahm, was ungefähr so war, als würde man für seinen besten Freund arbeiten. Wir schufteten hart wie immer, hatten aber das Gefühl, als könnten wir darüber lachen, statt auf der verzweifelten Jagd nach Abschlüssen über Leichen gehen zu müssen.
An jenem Abend wurde ich nicht von Dylan, sondern von Nicks abgeholt. Er saß draußen im Wagen und wartete, bis ich fertig war. Ich nahm auf dem Rücksitz Platz, und wir stürzten uns in den Verkehr.
»Wo ist Caddy?«, fragte ich.
Er zuckte gelangweilt die Achseln und sprach die ganze Fahrt über kaum ein Wort. Ich setzte meine Kopfhörer auf und hörte meine Musik, ging meine Nummer noch einmal durch, überlegte, wie ich sie verbessern konnte, und dachte darüber nach, was ich tun würde, falls Fitz sich wieder nicht an die Regeln hielt. Irgendwie hatte ich einen Präzedenzfall geschaffen, indem ich es einmal getan hatte, und jetzt ging er mehr oder weniger davon aus, dass er es wieder von mir verlangen konnte. Egal, für mich war das Geld das Wichtigste. Wenn ich auf diese Art meinem Traum vom Boot näherkam, war ich bereit, es zu tun. Und wenn er
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