wenn es Zeit ist
gefährlich leise zu dem Schalterbeamten: »Du willst mich verarschen, du verdammte Drecksau. Wenn du den Zettel nicht bei drei zerrissen hast, ist sie tot. Doch solange wartete er nicht. Er drückte ab und schoss ein zweites Mal, als er der Polizei in die Arme lief. Danach ließ er sich widerstandslos festnehmen.
So erzählte es Michi. Sie war nicht dabei, sondern hat es sich so aus der Zeitung oder von Klassenkameraden zusammengetragen.
Von steten Tropfen (1976)
Ich versuche, an ihm vorbei zu kommen, ihn einfach stehen zu lassen, ohne ihm eine weitere Frage zu beantworten.
»Ich will es von dir wissen.« Der Reporter stellt sich mir in den Weg, hält mich an der Schulter fest .
So schnell kann Frieden kippen. Gerade noch von innerer Ruhe erfüllt, nachdem ich versucht hatte, Dirk zu helfen, zittert jetzt jeder Muskel. Die Brust wird viel zu eng für das Herz, die Finger lassen sich nicht mehr kontrollieren, ballen sich zur Faust, die Faust lässt sich nicht mehr bremsen. Als der Reporter mich berührt, kann ich mich nicht mehr steuern, drehe mich um und schlage zu. Gleich aufs Gesicht. Diese Drecksau soll gezeichnet sein. Soll er sich doch an seinen Zähnen verschlucken. Lange genug habe ich gewartet, jetzt ist meine Geduld am Ende. Es ist mir egal, ob Menschen aus dem Fenster sehen, ob jemand vorbeigeht oder doch ein Fotograf hinter irgendeiner Hecke lauert und alles festhält.
Immer rein in die Fress…
Soll er doch seine Schlagzeilen machen. ›Vater des Wunderheilers im Knast. – Wunderheiler ein brutaler Schläger.‹
»Beruhige dich, Junge!«
Ich treffe nicht in sein Gesicht. Als hätte er meinen Schlag erwartet, reagiert der Reporter blitzartig und fängt meine Faust auf.
»Mehr als in der Zeitung steht, kann ich Ihnen nicht sagen, also was wollen Sie von mir?« Ich versuche, ein weiteres Mal auszuholen, noch mal zuzuschlagen, aber wieder fängt er meine Faust ab.
»Jetzt ist gut.« Er dreht meinen Arm um, zwingt mich in die Knie. Fast weine ich. Der Schmerz zieht mir in die Schultern. Jede Bewegung tut weh. »Hast du schon einmal darüber nachgedacht, ob es deinem Vater genau so geht? Ob auch er diese Gabe hat und sie ihn genauso erschreckt wie dich? Ob er deswegen immer scheitert, weil er seine Berufung nicht akzeptieren will und er immer gegen seine Vorsehung verstößt? Es ist eine Scheiß Verantwortung, die du hast, aber du kannst ihr nicht entkommen, indem du sie ignorierst.«
» Und hat er sie?«, frage ich höhnisch, immer noch am Boden, immer noch den Arm in den Rücken gedreht. Ob ich sie habe, ist auf einmal egal.
» Woher soll ich das wissen? Du bist sein Sohn. Hast du dich beruhigt?«
»Ja! «, brülle ich und winde mich. »Lassen Sie mich endlich los!«
Noch immer möchte ich ihm ins Gesicht schlagen, aber ich kann mich beherrschen. »Warum besuchen Sie ihn nicht im Gefängnis? Vielleicht kann er es Ihnen ja sagen? Vielleicht schlägt er aber auch nur schneller und sicherer zu als ich.«
Ich muss Hausaufgaben machen, Michi hat sicher schon versucht, mich zu erreichen, meine Mama kommt bestimmt bald nach Hause und ich habe keine Lust, mich mit dem Reporter zu unterhalten. Wir stehen auf dem Gehweg, ich schwitze, habe Durst und doch bleibe ich stehen.
Der Reporter antwortet nicht. Er zückt eine Visitenkarte aus seiner Brieftasche. » Wenn du es dir anders überlegst, ruf mich an.«
Ich sollte die Visitenkarten vor seinen Augen zerreißen. Aber ich nehme sie an, stecke sie mechanisch in mein Portemonnaie und stiere den Reporter an. Instinktiv nehme ich sogar die Hand, die er mir reicht. Aber ich sage nichts, weder danke noch Auf Wiedersehen.
»Ich bin Journalist und natürlich will ich über dich schreiben. Du kannst deine Fähigkeiten nicht geheim halten. Die Zeitungen werden immer über dich berichten. Bei mir hättest du wenigstens ein bisschen davon profitiert.« Er hält die Hand hoch, reibt seinen Zeigefinger am Daumen. »Das hätten deine Mutter und du bestimmt gut gebrauchen können. Und was glaubst du, wie hart es wird, wenn der Medienrummel erst richtig losgeht? Dann brauchst du jemanden, der dich unterstützt.«
»Ich habe keine Fähigkeiten« , sage ich leise. Er glaubt es mir ja doch nicht. Er will mich erst einlullen und dann kaufen. Natürlich können Mama und ich Zuverdienste gebrauchen. Aber dazu muss ich mich doch nicht in der Zeitung präsentieren wie ein Zwerg im Kuriositätenkabinett auf dem Jahrmarkt.
So schnell kann es umschlagen. Erst möchte ich
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