Wenn Frauen kochen
dass Gus eine eigene Zeitschrift plane. Carmen wusste bereits den Namen für ihre Zeitschrift, und sie hatte auch schon eine Online-Adresse gekauft - fehlte nur noch jemand, der das Ganze finanzierte. Miss Spanien 1999 zu sein, begeisterte vielleicht einige ihrer Fans,
aber man gewann damit nicht automatisch Investoren. (Statt Geld lockerzumachen, hatten sich diese »Investoren« - Männer wie Frauen - mit ihr verabreden wollen!) Am meisten regte Carmen jedoch auf, dass sie eben nicht nur Schönheitskönigin war, sondern einen Abschluss des Culinary Institute of America besaß. Im Gegensatz zu Gus Simpson!
Gus tat im Fernsehen nichts anderes, als ein Frühstück zuzubereiten, das jeder Amerikaner im Schlaf kochen konnte, und trotzdem grunzte dieser Matt Lauer so begeistert, als hätte er nie zuvor ein Ei gesehen.
Verdammt, man kam einfach nicht an dieser Frau vorbei! In der kulinarischen Gerüchteküche munkelte man, dass Gus schwierig sei. Das bezweifelte Carmen nicht - alle prominenten Köche, die sie je kennengelernt hatte, waren noch schlimmer als die Teilnehmerinnen der Schönheitswettbewerbe. Die Schönheitsköniginnen entspannten sich wenigstens, wenn die Scheinwerfer aus und die Klebestreifen unter ihren Brüsten abgezogen waren.
Köche dagegen legten ihre Messer nie aus der Hand. Und der Gedanke an etwas Spitzes war in diesem Moment äußerst verlockend: Carmen wand sich verzweifelt, um die Stelle an ihrem Rücken zu erreichen, die am schlimmsten juckte.
»Nicht kratzen!«, hatte ihr PR-Berater am Vorabend gesimst. »Windpocken können Narben hinterlassen. Denk an dein Gesicht!«
Wer bekommt auch einen Tag bevor er in der Today -Show zu Gast ist Windpocken? Carmen Vega natürlich, dachte sie mürrisch und rieb ihren Rücken an der Ecke der Granitarbeitsplatte, ohne den Fernseher aus den Augen zu lassen.
Wenn Carmen ihre eigene Zeitschrift wollte, eine Topfserie und ein wesentlich fetteres Bankkonto, dann musste sie bekannter werden. Davon, vor einem wichtigen Fernsehauftritt
krank zu werden, wollte sie sich nicht aufhalten lassen. Wenn es nur nach ihr ginge, wäre sie aufgetreten - eine großzügige Schicht Make-up hätte das Problem behoben. Aber ihr PR-Agent fürchtete, zur Persona non grata zu werden, falls sich die anderen Gäste der Today -Show ansteckten.
Carmen hatte nicht einmal gewusst, dass Erwachsene Windpocken bekommen können. Deshalb war sie auch nicht sonderlich besorgt gewesen, als sie vor zwei Wochen bei ihrem Auftritt als Gastlehrerin in der zweiten Klasse einige Kinder mit kleinen roten Punkten gesehen hatte. Diese Aktion war eine der Schnapsideen ihres zunehmend kostspieligen PR-Beraters, die eine Handvoll Reporter anzog. Es hatte ihr tatsächlich ein paar interessante Kontakte eingebracht. Aber die meisten Bemerkungen kamen wie üblich von den Foodie-Bloggern im Netz. Diese Internet-Fangemeinde brachte Carmens Karriere langsam in Schwung. Sie kamen zu ihren Koch-Demonstrationen in Einkaufszentren und platzierten ihre »Treffen mit den Stars« auf YouTube. Und dafür liebte Carmen sie. Die Internetfans machten sie berühmt, indem sie ihr zuschauten und dann darüber sprachen. Damit entsprach sie dem allerneusten Trend.
Außerdem bloggten ihre Fans genauso gern über ihr Aussehen wie über das, was sie kochte.
»Sie ist wunderschön!« Das kam unweigerlich irgendwann. Carmen gehörte zu den wenigen Glücklichen, die mehr als den durchschnittlichen Anteil guter Gene abbekommen hatten: Ihre olivenfarbene Haut war zart und seidig, ihre Figur wohlgeformt, ihre Beine lang, ihr schwarzes Haar voll und glänzend, ihre braunen Augen groß und von dichten Wimpern umrahmt. Gut, sie wusste, dass sie nicht so gut aussah wie ihre Mutter und ihre ältere Schwester Marisol, die beide zu Hause in Sevilla ein ruhiges Leben führten. Aber
Carmen hatte es sich nun mal in den Kopf gesetzt, die Schönheitsgene dieser Familie für ihren beruflichen Vorteil zu nutzen, zuerst in der Welt der Schönheitswettbewerbe und dann für eine kurze Zeit auch als Model. Ihr ursprüngliches Ziel war Hollywood gewesen. Beim Kampf um den Titel der Miss Universe passierte ihr doch tatsächlich ein kleines Missgeschick mit dem Träger ihres Bikinioberteils. Das machte sie im Nu zur bekanntesten Teilnehmerin des Wettbewerbs. Der Trubel brachte ihr zumindest eine Rolle in einer beliebten Fernsehserie ein, in der sie sich selbst parodierte, und außerdem eine schlagzeilenträchtige Affäre mit dem blondierten Sänger einer
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