Wenn Frauen kochen
könntest, dann würdest du nicht die ganze Zeit so wütend sein«, konterte Sabrina.
»Als wenn deine ewige Fröhlichkeit keine Fassade wäre«, entgegnete Aimee. »Du machst es dir leicht, spielst das Baby, damit sich alle um dich kümmern müssen.«
»Also auf mich wirkt sie nicht sehr glücklich«, meldete sich Carmen zu Wort.
Oh, Gott. Das leicht ungute Gefühl, das Gus den ganzen Morgen verfolgt hatte, entwickelte sich nun rasch zu blankem Entsetzen. Private Dinge, davon war sie überzeugt, sollten in der Familie bleiben.
»Es reicht, Mädchen«, unterbrach Gus die beiden. »Das alles hat nichts mit Esst, trinkt und genießt zu tun, und ich kann euch versichern, dass sich niemand hier dafür interessiert.« Die gebannten Gesichter ihrer Kollegen sprachen dagegen, aber keiner wagte ihr jetzt zu widersprechen.
»Familienproblem, was?«, bemerkte Gary mit nachdenklichem Gesicht. Gus starrte auf seinen Kugelschreiber, als
fürchte sie, er würde diese Erkenntnis gleich haarklein festhalten.
»Nein, bei uns ist alles in Ordnung«, flötete sie. »Wir sind vielleicht alle ein wenig übermüdet und reizbar, aber okay.«
»Ich fühle mich gar nicht okay«, sagte Sabrina und starrte ihre Schwester an. »Es geht hier aber ausnahmsweise mal nicht nur um dich«, sagte Aimee ruhig. »Wir alle mussten mit Dads Tod fertigwerden.«
»Aimee, wir wollen deine Schwester nicht unnötig aufregen«, sagte Gus schärfer, als sie beabsichtigt hatte.
»Hör doch endlich auf, sie zu verhätscheln«, rief Aimee aufgebracht. »Wenn du mich fragst, sind wir viel zu lange auf Zehenspitzen um sie herum getippelt.«
»Es fragt dich aber keiner«, fuhr Gus sie an. Wie gewöhnlich konnte sie es nicht ertragen, ihr empfindliches jüngeres Kind verzweifelt zu sehen, und der vertraute Reflex, sie zu trösten, setzte sich durch. »Sabrina, Liebes, warum tauschst du nicht den Platz mit deiner Schwester und setzt dich neben mich?«
Sie wollte das Gespräch möglichst schnell wieder auf die alte Bahn lenken, damit alle wieder schön unverfänglich in Kindheitserinnerungen schwelgen konnten.
»Nein«, rief Aimee. Die anderen, sogar Carmen, die normalerweise entzückt war, wenn es für Gus unangenehm wurde, rutschten unruhig auf ihren Stühlen herum. Aimee wusste selbst, wie untypisch es für sie war, sich zu widersetzen. Aber sie hatte genug davon, dass Sabrina ständig von allen verhätschelt wurde. Es war schließlich keine große Kunst, unbekümmert zu sein, wenn immer jemand hinter einem herräumt.
»Aimee!«, zischte Gus. Da hörte man das Reißen von Folie, und Gus wusste sofort, dass Hannah eine Bonbontüte geöffnet hatte. Das darauf folgende krachende Geräusch sagte ihr, dass es sich dabei um Karamell handeln musste.
Alle fühlten sich unbehaglich.
»Ich kann ja mit Sabrina den Platz tauschen«, bot Troy an, der auf der anderen Seite von Gus saß. Er war bereits halb aufgestanden.
»Nein«, befahl Gus in einem Ton, der keinen Raum für Diskussionen ließ. »Ich will, dass Aimee und Sabrina tauschen.« Alle hielten die Luft an, nur Hannah fischte raschelnd ein weiteres Bonbon aus der Tüte. Troy zögerte einen Moment, setzte sich erst, stand dann aber wieder auf. Gus ignorierte Gary geflissentlich, wissend, dass er jede ihrer Bewegungen beobachtete.
»Ich gebe meinen Platz nicht für sie auf«, stellte Aimee klar. »Ich weigere mich.«
»Was soll das?« Gus sprach mit Aimee, vermied aber, sie anzusehen.
»Ich mag meinen Platz«, sagte Aimee. »Du schaust mich ja nicht einmal an.« Sie klang verletzt, ganz unüblich für sie.
»Du bist eine erwachsene Frau.«
»Sabrina ist auch erwachsen.«
»Aimee, wirklich, jetzt tausch mit deiner Schwester. Das ist doch keine große Sache.«
»Nein!« Aimee stand auf und schrie. »Nein! Warum bist du immer so? Was ist nur los mit dir ?«
»Ihr entschuldigt mich bitte?« Das war Troy, der immer noch stand und nervös dreinschaute. »Ich, äähm, muss … gehen. Äh, zur Toilette.«
»Ich könnte auch etwas Luft gebrauchen«, sagte Oliver.
»Ich, auch«, murmelte Hannah kauend.
»Ich auch«, schloss sich da auch Carmen an. Es musste schlimmer sein, als es sich anfühlte, wenn nicht einmal Carmen dieses Schauspiel genießen konnte, dachte Gus beunruhigt. Sie fühlte sich gedemütigt.
»Okay, alle zusammen, hier passiert gerade ein Menge«, sagte Gary und signalisierte mit den Händen eine Auszeit. »Wir machen Pause und treffen uns später wieder, um 14.00 Uhr im Konferenzraum.
Weitere Kostenlose Bücher