Wenn Frauen Männer buchen: Roman (German Edition)
nie hingegangen.«
»In Kur oder in die Firma?«
»Beides.«
»Ist es so schlimm?«
Herbert gab keine Antwort, aber sein sorgenvolles Gesicht sprach Bände. Er setzte sich auf den angebotenen Stuhl und schaute zu, wie Samantha in der kleinen Küche Kaffee kochte. »Nette Wohnung«, sagte er.
»Danke.«
»Nicht ganz das, was du die letzten Jahre gewöhnt warst.«
»Es geht mir gut«, betonte Samantha, und in diesem Augenblick meinte sie es auch so.
»Hast du die Trennung einigermaßen überstanden?«
Samantha nickte wortlos. Sie dachte noch häufig an Hans, aber sie empfand nichts dabei außer leisem Bedauern. Sie waren einfach nicht die Richtigen füreinander gewesen. Wenn sie überhaupt etwas verbunden hatte, dann allenfalls Freundschaft. Mehr als einmal waren ihr in diesem Zusammenhang die Worte von ihrem Bruder durch den Kopf gegangen. Dann war es keine richtige Liebe …
»Ich habe gehört, dass du jetzt bei Damaschke arbeitest. Ein guter Mann.«
Samantha nickte abwartend, und Herbert fuhr fort: »Ich kenne ihn persönlich. Wusstest du, dass wir uns damals im selben Jahr selbstständig gemacht haben? Hin und wieder treffe ich ihn im Gebirgsverein, und dann jammert er über die Konjunktur und behauptet jedes Mal, dass er kurz vor dem Bankrott steht.«
Samantha war sich darüber im Klaren, dass die Auftragslage bei ihrem neuen Arbeitgeber tatsächlich alles andere als ergiebig war. Er hatte im Vorjahr drei Leute entlassen müssen, und Samantha hatte ihn mehr als einmal sagen hören, dass er lieber heute als morgen in den Ruhestand gehen würde. Aber wie jeder andere im Betrieb wusste Samantha genau, dass er dafür nicht der Typ war. Er liebte seine Arbeit viel zu sehr, auch wenn die Umsätze zeitweilig gegen null tendierten.
»Ich arbeite da nur aushilfsweise«, sagte Samantha, während sie zwei Tassen aus dem Küchenschrank nahm. »Außerdem ist es nur halbtags. Übers Arbeitsamt suche ich immer noch eine richtige Stelle.«
»Du könntest schneller eine haben, als du glaubst«, sagte Herbert unumwunden.
Samantha verschüttete um ein Haar den Kaffee. Sie hatte die ganze Zeit, seit er aufgekreuzt war, so etwas kommen sehen. Hin und wieder traf sie Kollegen von früher in der Stadt, und das, was sie bei diesen Gelegenheiten gehört hatte, deutete nicht gerade darauf hin, dass Georg die Firma zu Ruhm und Ehren führte. Im Gegenteil. Frau Sindelmann hatte ihr erzählt, dass Corelli Konkurs angemeldet hatte. Ein weiteres Großprojekt, das noch vor ein paar Monaten kurz vor dem Abschluss gestanden hatte, war ebenfalls geplatzt. Auch Luxuskunden gab eslängst nicht mehr so viele wie früher. Für Bruckner-Bad sah es alles andere als rosig am Markt aus. Natürlich war schwer zu sagen, ob es an der neuen Geschäftsleitung oder einfach nur an der allgemein kränkelnden Wirtschaft lag.
Wie es aussah, war Herbert heute nicht nur hier, um ihr einen Verwandtenbesuch abzustatten und ihre neue Frisur zu bewundern.
Samantha versuchte, das Thema zu wechseln. Behutsam goss sie Kaffee in die beiden Tassen. »Danke übrigens für deine Postkarte. Wie war’s denn so in Bad Wörishofen? Hast du gekneipt?«
»Falls du darauf hinaus willst, ob ich mir da den einen oder anderen hinter die Binde gekippt habe, lautet die Antwort Ja«, sagte Herbert. »Und geraucht habe ich auch. Wie ein Schlot. Ich fühle mich großartig. Das heißt, ich könnte mich großartig fühlen, wenn Georg nicht gerade dabei wäre, die Firma zu ruinieren.«
»Die Geschäfte gehen überall schlecht«, gab Samantha zu bedenken. Sie konnte ihren Cousin nicht besonders gut leiden, aber es war denkbar, dass er ausnahmsweise nicht an allem schuld war.
»Darum geht’s nicht mal«, sagte Herbert. »Während meiner Abwesenheit hat er sich unmöglich benommen. Wie eine offene Hose. Buchstäblich.«
Samantha wurde rot. »Ich habe so etwas gehört«, sagte sie vorsichtig.
»Hast du auch gehört, dass eine ehemalige Putzfrau uns deswegen verklagt hat? Sie hat Schmerzensgeld in unbestimmter Höhe verlangt und ihn außerdem wegen Beleidigung und sexueller Nötigung angezeigt.«
»Äh … tatsächlich?« Samantha erinnerte sich dunkel, dass Babette einen vergleichbaren Fall erwähnt hatte.Vermutlich handelte es sich um ein- und dieselbe Frau. Samantha konnte es ihr nicht verdenken.
Herbert rührte ergrimmt seinen Kaffee um. »Das mit dem Ruhestand kann ich mir getrost aus dem Kopf schlagen. Sonst hätten wir in sechs Monaten kein Personal mehr. Meine
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