Wenn Frauen zu sehr lieben
intensive Gewöhnung haben wir gelernt, dem Schmerz immer den Vorrang zu geben. Ein gesünderer, liebevoller Mann kann keine wichtige Rolle in unserem Leben spielen, solange wir nicht gelernt haben, auf das Bedürfnis nach ständiger Wiederholung unserer Kindheitstraumen zu verzichten.
Eine Frau, die weniger schädlichen Einflüssen ausgesetzt war, reagiert ganz anders und gestaltet daher auch ihre Beziehungen ganz anders. Kämpfe und Leiden sind ihr nicht so vertraut, haben in ihrem Leben keine so große Rolle gespielt – und kommen ihr deshalb nicht so angenehm vor. Hat ihr Zusammensein mit einem Mann zur Folge, dass sie sich unwohl, verletzt, beängstigt, enttäuscht, wütend, eifersüchtig oder auf andere Art seelisch angegriffen fühlt, ist dies eine derart negative Erfahrung für sie, dass sie diesem Mann in Zukunft aus dem Weg gehen wird. Weil sie weiß, was ihr gut tut, wird sie sich um eine Beziehung bemühen, die ihr Zuwendung, Fürsorge und Beständigkeit bietet. Wir können also Folgendes feststellen: Die Anziehung zwischen zwei Menschen, die fähig sind, eine gesunde, auf echter Kommunikation beruhende Beziehung einzugehen, mag stark und erregend sein, aber sie ist nie so unwiderstehlich wie die Anziehung zwischen einer Frau, die zu sehr liebt, und dem Mann, mit dem sie «tanzen» kann.
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Männer, die sich zu sehr lieben lassen
She’s the rock that I lean on,
She’s the sunshine of my day,
And I don’t care what you say about her
Lord, she took me in and made me everything
I am today.
– She’s My Rock
W as läuft eigentlich in dem Partner einer solchen Frau ab? Was empfindet er in den ersten Momenten der Begegnung mit einer Frau, die zu sehr liebt? Und was wird aus seinen Gefühlen im Verlauf einer Beziehung, vor allem, wenn sich sein Krankheitszustand zum Besseren oder zum Schlechteren hin verändert?
Einige der Männer, deren Berichte in diesem Kapitel enthalten sind, haben sowohl einen ungewöhnlichen Grad an Selbsterkenntnis erlangt als auch beträchtliche Einsicht in die Dynamik ihrer Beziehungen. Etliche dieser Männer, die von einer Sucht loskamen, konnten Nutzen aus ihrem jahrelangen therapeutischen Engagement bei den Anonymen Alkoholikern oder in einer anderen Drogen-Selbsthilfeorganisation ziehen und sind daher in der Lage zu erkennen, welche Wirkung ihre Partnerin – also die Co-Alkoholikerin – auf ihr eigenes Suchtverhalten ausübte. Andere, die weder süchtig noch suchtgefährdet waren, unterzogen sich einer traditionelleren Form der Therapie, die ihnen dabei half, sich selbst und ihre Beziehungen besser zu verstehen.
Obwohl sich die Einzelheiten in jedem Bericht unterscheiden, geht es doch jedes Mal um die Wirkung einer starken Frau, die auf irgendeine Art verspricht, das wettzumachen, woran es jedem dieser Männer fehlt.
Tom: 48 Jahre alt; seit zwölf Jahren trocken; Vater und älterer Bruder an den Folgen von Alkoholismus gestorben
Ich erinnere mich noch genau an den Abend, an dem ich Elaine kennenlernte. Wir waren beide Anfang Zwanzig und beide in Begleitung. Das Trinken hatte sich für mich schon zu einem Problem entwickelt. Mit zwanzig Jahren war ich wegen Trunkenheit am Steuer festgenommen worden; zwei Jahre später verursachte ich einen schweren Autounfall, weil ich zu viel getrunken hatte. Natürlich glaubte ich, der Alkohol würde mir überhaupt nicht schaden. Ich war einfach nur ein junger Mann auf dem Weg nach oben, der sich halt gern mal amüsierte.
Elaine war mit einem Bekannten von mir gekommen, der sie mir auch vorstellte. Ich fand sie sehr attraktiv und war froh, als wir für einen Tanz die Partner wechselten. Natürlich hatte ich auch an diesem Abend getrunken und fühlte mich ziemlich mutig; weil ich sie beim Tanzen beeindrucken wollte, probierte ich einige recht ausgefallene Schritte. Ich bemühte mich so sehr, einen lockeren und gewandten Eindruck zu machen, dass ich in ein anderes Paar hineinrannte und der Frau buchstäblich die Luft wegblieb. Das Ganze war mir äußerst peinlich, und ich konnte nur ziemlich undeutlich murmeln, wie leid es mir täte, aber Elaine geriet nicht aus der Fassung. Sie nahm die Frau beim Arm, entschuldigte sich bei ihr und ihrem Partner und begleitete die beiden zu ihrem Tisch. Sie benahm sich so nett und lieb, dass ihr der Mann wahrscheinlich noch dankbar für die ganze Szene war. Dann kam sie zurück. Auch um mich schien sie aufrichtig besorgt zu sein. Eine andere Frau wäre vielleicht
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