Wenn Frauen zu sehr lieben
mich selbst, für meine Kinder, für Helen und ihre Kinder, selbst für Janet, die so etwas nicht verdient hatte.
Helen und ich heirateten, sobald die Scheidung rechtskräftig war. Aber irgendetwas veränderte sich zwischen uns, schon als die Scheidung lief. Die ganzen Jahre zuvor war Helen herzlich und liebevoll und verführerisch gewesen – sehr verführerisch sogar. Und dafür liebte ich sie. Es war diese Liebe, die mich an der Beziehung zu ihr festhalten ließ, trotz all des Leids, das ich meinen Kindern, meiner Frau, aber auch Helen und ihren Kindern zufügte – eigentlich uns allen. Sie gab mir das Gefühl, der begehrenswerteste Mann der Welt zu sein. Natürlich hatten wir uns auch gestritten, bevor wir verheiratet waren, denn die Spannung, unter der wir standen, war fast unerträglich. Aber jeder Streit endete damit, dass wir uns liebten. In diesen Momenten fühlte ich mich mehr begehrt, mehr gebraucht, mehr umsorgt, als ich es jemals zuvor erlebt hatte. Was zwischen Helen und mir bestand, war mir so kostbar, so einzigartig, dass es schon den Preis wert schien, den wir dafür bezahlen mussten.
Aber als wir schließlich zusammen sein konnten, ohne uns verstecken zu müssen, wurde Helen mir gegenüber merklich kühler. Wenn sie zur Arbeit ging, sah sie immer noch großartig aus, zu Hause ließ sie sich dafür gehen. Es störte mich nicht, aber es fiel mir doch auf. Und auch sexuell lief es nicht mehr so gut wie früher. Sie zeigte ganz einfach weniger Interesse an Sex. Ich versuchte, sie nicht unter Druck zu setzen, aber ich war enttäuscht. Endlich brauchte ich mich nicht mehr so schuldig zu fühlen und hätte es wirklich genießen können, mit ihr zusammen zu sein, egal ob zu Hause oder unter Leuten, und ausgerechnet jetzt zog sie sich vor mir zurück.
Schon nach zwei Jahren hatten wir getrennte Schlafzimmer. Und so ging es zwischen uns weiter, kühl und distanziert, bis zu ihrem Tod. Ich dachte niemals ernsthaft daran, sie zu verlassen – schließlich hatte ich einen zu hohen Preis dafür gezahlt, mit ihr zusammen zu sein.
Wenn ich an die Zeit damals zurückdenke, wird mir klar, dass Helen vermutlich mehr als ich unter dieser jahrelangen Affäre gelitten hat. Sie konnte nie wissen, ob ich nun Janet oder sie verlassen würde. Sie weinte sehr oft und drohte mehrmals mit Selbstmord. Sie ertrug es nicht, die «andere Frau» sein zu müssen. Aber so schrecklich die Jahre vor unserer Heirat auch waren – so viel Liebe und Fürsorge und Zärtlichkeit hat es für uns beide hinterher nie mehr gegeben.
Nachdem wir verheiratet waren, fühlte ich mich als Versager. Aus irgendeinem Grund gelang es mir nicht, sie glücklich zu machen, obwohl wir bereits so viele Probleme aus dem Weg geräumt hatten.
In der Therapie habe ich nicht nur allerhand über mich selbst gelernt, sondern auch die Bereitschaft entwickelt, mich mit dem Teil von Helen auseinanderzusetzen, vor dem ich immer die Augen verschlossen hatte. Sie kam besser zurecht mit dem Druck, der Anspannung und der Heimlichtuerei, die unsere Affäre begleiteten, als mit dem relativ normalen Leben hinterher. Deshalb erstarb auch unsere Liebe, sobald die Affäre geendet und unsere Ehe begonnen hatte.
Als ich mich mit alldem ehrlich auseinandersetzen konnte, kam ich auch über die schreckliche Wut hinweg, die ich Helen gegenüber seit ihrem Tod verspürt hatte. Ich war wütend, weil mich das Zusammensein mit ihr so viel gekostet hatte: meine Ehe, in vielerlei Hinsicht die Liebe meiner Kinder und den Respekt meiner Freunde. Ich glaube, ich fühlte mich einfach betrogen.
Warum sich Charles von Helen angezogen fühlte
Charles lernte eine schöne und verführerische Frau kennen, die ihn bald mit sexueller Erfüllung, blinder Ergebenheit und einer Liebe beschenkte, die an Verehrung grenzte. Dass er trotz einer stabilen, relativ befriedigenden Ehe von ihr hingerissen war, bedarf kaum einer Erklärung oder Rechtfertigung. Helen machte es sich von Anfang an und all die langen Jahre ihrer Affäre hindurch ganz einfach zur Lebensaufgabe, Charles’ Liebe zu ihr zu vertiefen und seinen langwierigen Kampf um die «Freiheit» erträglich, ja sogar lohnenswert zu machen.
Was allerdings genauerer Erklärung bedarf, ist Helens plötzliches und offenkundiges Desinteresse an dem Mann, für den sie so lange ausgeharrt und gelitten hatte, von dem Moment an, wo er endlich in der Lage war, sein Leben mit ihr zu teilen. Warum liebte sie ihn bis zur Raserei, als er noch
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