Wenn Frauen zu sehr lieben
ihr kontrollierendes Verhalten mit Humor. Sie lernte, äußerst sensibel auf jeden Anflug von Ärger oder Feindseligkeit bei den Menschen in ihrer Umgebung zu achten, um solche Äußerungen durch eine schlagfertige Bemerkung oder ein entwaffnendes Lächeln zu verhindern.
Sie hatte doppelt Grund dafür, ihre eigenen Gefühle zu leugnen: Erstens konnte sie den Gedanken an die mögliche Trennung ihrer Eltern nicht ertragen, weil er zu erschreckend war, und zweitens hätte jegliches eigene Gefühl sie daran gehindert, ihre Rolle als Unterhaltungskünstlerin gut zu spielen. Mit der Zeit leugnete sie ihre Gefühle automatisch, und ebenso automatisch versuchte sie, die Menschen in ihrer Umgebung zu manipulieren und zu kontrollieren. Ihre oberflächliche Art stieß zweifellos einige Leute ab. Aber andere wie Kenneth, der zu tiefergehenden Beziehungen gar nicht fähig war, fühlten sich genau von diesem Verhalten angezogen.
Wie umfassend und hartnäckig Connie die Realität leugnete und wie groß die Angst war, die hinter der Verleugnung stand, wird an der Tatsache deutlich, dass sie jahrelang mit einem Mann zusammenleben konnte, der sie immer häufiger allein ließ und schließlich fast jede Nacht wegblieb, und dass sie ihn dennoch nie danach fragte, was er während seiner Abwesenheit eigentlich tat. Connie wollte nichts davon wissen, wollte sich nicht streiten oder sich mit Kenneth auseinandersetzen. Aber vor allem wollte sie die entsetzliche Angst aus ihrer Kindheit nicht noch einmal spüren: die Angst, dass Uneinigkeit ihre ganze Welt zerstören könnte.
Connie hatte große Schwierigkeiten, sich auf einen therapeutischen Prozess einzulassen, der es ihr nicht gestattete, ihren Humor als Hauptabwehrstrategie einzusetzen. Es war für sie, als würde jemand von ihr verlangen, das Atmen einzustellen. Etwas in ihr glaubte, ohne Humor nicht überleben zu können. Die verzweifelte Bitte ihres Sohnes, doch endlich gemeinsam mit ihm die – wenn auch schmerzliche – Wirklichkeit anzuerkennen, drang nicht durch Connies massiven Verteidigungswall. Sie hatte den Kontakt zur Realität weitgehend verloren, und während der Therapie bestand sie lange Zeit darauf, nur über Thads Probleme zu sprechen, ihre eigenen somit zu leugnen. Sie war nicht bereit, die Position der «ewig Starken» kampflos aufzugeben.
Aber mit der Zeit entwickelte sie doch die Bereitschaft, ihre Panik zuzulassen, die immer dann in ihr hochkam, wenn sie sich nicht in den Humor flüchten konnte, und sie begann, sich sicherer zu fühlen. Sie lernte langsam, dass ihr als Erwachsener viel bessere Strategien zur Verfügung standen, mit den Anforderungen des Lebens umzugehen, als die alten, die sie seit ihrer Kindheit längst überstrapaziert hatte. Sie begann, Fragen zu stellen, sich mit anderen auseinanderzusetzen, ihre Gefühle zu zeigen und ihre Bedürfnisse deutlich zu machen. Sie lernte, sich selbst und anderen gegenüber ehrlich zu sein, was sie seit vielen Jahren nicht mehr gewesen war. Und schließlich gewann sie sogar ihren Humor zurück. Auch in dieser Hinsicht hatte sie dazugelernt: Sie konnte zum ersten Mal über sich selbst lachen.
Pam: 36 Jahre alt; zweimal geschieden; Mutter von zwei noch nicht volljährigen Söhnen
Meine Kindheit war unglücklich und spannungsreich. Mein Vater hatte meine Mutter vor meiner Geburt verlassen, und aus ihr wurde der Prototyp der «alleinerziehenden Mutter». Ich kannte niemanden, dessen Eltern geschieden waren. Da wir in einer typischen Kleinbürgerstadt lebten – und das in den fünfziger Jahren –, ließ man uns spüren, wie anders wir waren.
Ich war eine fleißige Schülerin und ein sehr hübsches Kind. Deshalb mochten mich die Lehrer. Das war eine große Hilfe: Zumindest in der Schule konnte ich Erfolge vorweisen. Ich wurde eine richtige Streberin; die ganzen Jahre in der Grundschule hindurch hatte ich nur Einsen im Zeugnis. In der Mittelstufe war der emotionale Druck auf mich allerdings so stark geworden, dass ich mich nicht mehr richtig konzentrieren konnte und meine Noten sich verschlechterten. Aber ich hätte es niemals gewagt, richtig abzurutschen. Ich hatte immer das Gefühl, meine Mutter wäre enttäuscht von mir, und fürchtete, sie müsse sich wegen mir genieren.
Sie arbeitete als Sekretärin, um den Lebensunterhalt für uns zu verdienen. Ihre Arbeit war hart, und erst jetzt begreife ich, dass sie ständig erschöpft gewesen sein muss. Sie war sehr stolz und schämte sich gleichzeitig zutiefst,
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