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Wenn Frauen zu sehr lieben

Wenn Frauen zu sehr lieben

Titel: Wenn Frauen zu sehr lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Norwood
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deshalb fühlte ich mich sicher und von ihm akzeptiert. Ich erkannte sehr wohl, dass Sam in allem, was Sexualität betraf, noch weniger Erfahrung hatte und noch konservativer war als ich, aber gerade dadurch wuchs in mir das Gefühl, die Situation – und damit auch die Beziehung – unter Kontrolle halten zu können. Diese Überzeugung und unser gemeinsamer Glaube gaben mir die Gewissheit: Wir waren füreinander geschaffen.
    Ich fühlte mich schuldig, und aus diesem Grund übernahm ich nach unserer Heirat die volle Verantwortung dafür, Sam von seiner Impotenz zu heilen. Ich las jedes Buch zu diesem Thema; Sam hingegen weigerte sich, auch nur ein einziges in die Hand zu nehmen. Aber ich behielt die Bücher in der Hoffnung, er würde sie eines Tages doch lesen wollen. Später fand ich heraus, dass er sie tatsächlich gelesen hatte, allerdings immer nur dann, wenn ich nicht dabei gewesen war. Auch Sam suchte krampfhaft nach Antworten, doch das wusste ich nicht, weil er nicht darüber sprechen wollte. Er fragte mich sogar, ob ich damit einverstanden wäre, eine rein platonische Beziehung zu ihm zu haben, und ich sagte ja, was eine Lüge war. Dabei fand ich es noch nicht einmal so schlimm, dass bei uns sexuell nichts lief; darauf konnte ich sehr gut verzichten. Was mich am meisten quälte, waren meine Schuldgefühle. Ich glaubte, ich hätte gleich zu Anfang unserer Ehe alles kaputt gemacht.
    Aber bislang hatten wir es noch nicht mit einer Therapie versucht. Ich fragte ihn, ob er dazu bereit wäre. Er weigerte sich. Mittlerweile war ich schon direkt besessen von dem Gedanken,
ich
würde
ihm
das wundervolle Liebesleben vorenthalten, das er mit einer anderen Ehefrau hätte haben können. Ich glaubte noch immer, ein Therapeut könnte mir vielleicht etwas verraten, das Abhilfe schaffen würde, irgendetwas, das nicht in den Büchern stand. Ich hätte alles getan, um Sam zu helfen, denn ich liebte ihn noch immer. Heute ist mir klar, dass ein großer Teil meiner Liebe zu ihm aus einer Kombination von Schuldgefühlen und Mitleid bestand, aber ich achtete ihn wirklich und verspürte eine tiefe Zuneigung zu ihm. Er war ein warmherziger, liebenswerter Mann.
    Jedenfalls ging ich allein zu meinem ersten Gespräch mit einer Beraterin, die mir von
Planned Parenthood
[3] als Spezialistin für sexuelle Probleme empfohlen worden war. Ich ging überhaupt nur hin, um Sam zu helfen, was ich ihr gegenüber besonders betonte. Sie antwortete mir, wir könnten Sam nicht helfen, weil er nicht hergekommen wäre, aber wir könnten uns durchaus mit mir befassen. Welche Gefühle hätte ich denn in Bezug auf das, was sich mit Sam abspielte und was nicht? Ich war überhaupt nicht darauf vorbereitet, über meine Gefühle zu sprechen. Ich wusste ja noch nicht einmal, ob ich welche hatte. Wir verbrachten die gesamte erste Sitzung damit, dass ich versuchte, wieder auf das Thema Sam umzuschwenken, während sie mich behutsam zu mir selbst und meinen Gefühlen zurückführte. Damals bemerkte ich zum ersten Mal, wie geschickt ich all dem auszuweichen verstand, was mich selbst betraf. Gerade weil sie so ehrlich mit mir umging, beschloss ich, sie wieder aufzusuchen, obwohl wir nicht an dem arbeiteten, was ich für das
eigentliche
Problem hielt: Sam.
    Zwischen der zweiten und der dritten Sitzung hatte ich einen sehr intensiven beunruhigenden Traum, in dem ich von einer Person gejagt und bedroht wurde, deren Gesicht ich nicht sehen konnte. Meine Therapeutin half mir, diesen Traum aufzuarbeiten. Dabei erkannte ich, dass die bedrohliche Gestalt mein Vater war. Dies sollte der erste Schritt eines langen Prozesses sein, der mir schließlich die Erinnerung daran zurückbrachte, dass mein Vater mich regelmäßig sexuell missbraucht hatte, und zwar in der Zeit zwischen meinem zehnten und sechzehnten Lebensjahr. Alles, was damit in Zusammenhang stand, hatte ich vollständig aus meinem Bewusstsein verdrängt. Als die Erinnerung wieder einsetzte, konnte ich sie nur Stück für Stück in mein Bewusstsein treten lassen. Sonst wäre ich bestimmt zusammengebrochen.
    Mein Vater ging abends häufig aus und kam erst sehr spät zurück. In solchen Nächten verschloss meine Mutter die Schlafzimmertür, vermutlich um ihn zu bestrafen. Eigentlich hätte er auf der Couch übernachten sollen, aber nach einer Weile fing er an, in mein Bett zu kommen. Durch Schmeicheleien, aber auch durch Drohungen erreichte er, dass ich nie mit einem anderen Menschen darüber sprach. Ich weiß nicht,

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