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Wenn Frauen zu sehr lieben

Wenn Frauen zu sehr lieben

Titel: Wenn Frauen zu sehr lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Norwood
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Menge Zeit hatte, begann ich, halbtags zu arbeiten. Auch das half mir. Allmählich wurde ich selbständiger und fühlte mich sogar wohl dabei! Robbie und ich sprachen über einen neuen Anfang, auch für unsere Ehe. Ich wäre am liebsten sofort zu ihm zurückgekehrt, aber sein Sponsor riet ihm, noch eine Weile abzuwarten. Die Frau seines Sponsors gab mir denselben Rat. Damals konnte ich das nicht verstehen, aber da sowohl Robbies als auch meine Gruppe die gleiche Meinung vertraten, schoben wir die ganze Sache auf. Heute weiß ich, warum das notwendig war: Ich musste warten, bis ich bei mir selbst angekommen war, bevor ich zu Robbie zurückkehren konnte.
    Anfangs war ich innerlich so leer, dass ich mich fühlte, als könne der Wind ungehindert durch mich hindurchwehen. Aber mit jeder Entscheidung, die ich für mich selbst traf, wuchs etwas in mir. Ich musste herausfinden, wer ich war, was ich mit mir und meinem Leben eigentlich anfangen wollte. Und dazu brauchte ich Zeit für mich – eine Phase, in der ich mir keine Gedanken und Sorgen um einen anderen Menschen machte, denn noch immer hätte ich mich lieber um das Leben anderer als um mein eigenes gekümmert.
    Als Robbie und ich wieder Zukunftspläne schmiedeten, fiel mir irgendwann auf, dass ich ihn wegen jeder Kleinigkeit anrief, ihn treffen und alles Mögliche mit ihm besprechen wollte. Ich spürte, dass ich mit jedem Anruf in mein altes Leben zurückfiel. Das wollte ich nicht länger. Wenn ich also unbedingt mit jemandem reden musste, ging ich zu einem Meeting oder rief einen der Teilnehmer an. Es war, als müsse ich mich selbst entwöhnen, aber ich lernte gleichzeitig, den Dingen ihren Lauf zu lassen, statt mich sofort wieder in die Arbeit zu stürzen und meine ganze Kraft dafür einzusetzen, dass alles nach meinem Willen lief. Es war ein extrem schwerer Rückzug für mich. Ich glaube, ich konnte auf Robbie viel weniger verzichten als er auf den Alkohol. Aber ich wusste, dass es notwendig war, damit ich nicht wieder in meine alte Rolle zurückfiel. Es ist schon komisch: Endlich habe ich eingesehen, dass ich erst
gern alleinleben
musste, bevor ich reif war, in unsere Ehe zurückzukehren. Es verging fast ein Jahr, bis die Kinder, Robbie und ich wieder zueinanderkamen. Robbie hatte die Scheidung nie gewollt, was ich heute allerdings nicht mehr verstehen kann. Mein Bedürfnis, die ganze Familie zu kontrollieren, ist sehr stark gewesen. Aber ich habe mich verändert und kann besser loslassen; wir kommen gut miteinander aus. Die Jungen gehen zu Alateen, Robbie zu A. A. und ich zu Al-Anon. Ich glaube, wir sind alle gesünder als je zuvor, denn wir leben alle unser eigenes Leben.
     
    Dem Bericht von Janice lässt sich nur wenig hinzufügen. Ihr ungeheuer starkes Bedürfnis, gebraucht zu werden, einen schwachen und unzulänglichen Mann zu haben, diente im Grunde nur der Verleugnung und Vermeidung des Gefühls von innerer Leere, das zwangsläufig in ihrer frühen Kindheit entstanden war. Wie ich bereits an anderer Stelle ausgeführt habe, fühlen sich Kinder in dysfunktionalen Familien für die familiären Probleme und für deren Lösung verantwortlich. Kindern, die ihre Familie «retten» wollen, stehen im Grunde nur drei Rollen zur Auswahl: unsichtbar zu sein, schlecht zu sein oder gut zu sein.
    Unsichtbar zu sein bedeutet, nie um etwas zu bitten, niemals Schwierigkeiten zu machen, keinerlei Ansprüche zu stellen. Ein Kind, das diese Rolle wählt, vermeidet gewissenhaft, seiner ohnehin stark beanspruchten Familie zusätzliche Lasten aufzubürden. Es bleibt in seinem Zimmer oder sitzt ruhig und so unscheinbar da, dass es sich nicht einmal mehr von der Tapete abhebt; es sagt nur wenig, und auch diese wenigen Worte klingen zurückhaltend. In der Schule ist es weder gut noch schlecht – auch dort wird es kaum wahrgenommen. Sein einziger Beitrag zur familiären Stabilität besteht darin, nicht zu existieren. Was seinen eigenen Schmerz und Kummer betrifft, ist es taub – es fühlt nichts.
    Schlecht zu sein heißt, der Rebell zu sein, der jugendliche Straftäter, der mit der roten Fahne. Ein solches Kind opfert sich selbst, indem es sich bereitfindet, der Sündenbock der Familie zu sein, das «Problem». Die gesamte Familie kann somit ihre Gefühle von Schmerz, Wut, Angst und Frustration auf dieses Kind konzentrieren. Vielleicht ist die Beziehung seiner Eltern schon in Auflösung begriffen; das Kind jedoch bietet ihnen weiterhin die Möglichkeit, sich gemeinsam mit einem

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