Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
ausrichten zu können, ließ mich nicht los. Der Mann starb kurz nach der Feier, und seine Leiche wurde abgeholt, damit Medizinstudenten wie ich Anatomie lernen konnten.
Als es um Parasitologie ging, erkundigte ich mich bei dem Vortragenden wegen einer »Freundin«, die sich in der Golfprovinz von Papua-Neuguinea mit zerebraler Malaria angesteckt hatte: »Sie streckte unwillentlich ihre Zunge heraus, und ihr Rücken bog sich durch, obwohl sie bei Bewusstsein war. Was geschah mit ihr? Ich habe darüber nichts in den Lehrbüchern gefunden.«
»Die Parasiten haben ihren Hirnstamm angegriffen«, erwiderte er. »Sie finden das im Complete Oxford Text Book of Medicine. Wie geht es Ihrer Freundin jetzt? Ein wenig abgeschlagen?« Spätere computergestützte Tests sollten zeigen, dass die weiße Materie meines Gehirns beschädigt war, obwohl ich keine dauerhaften körperlichen oder seelischen Einschränkungen spürte. Parasitologie war das erste Fach, in dem ich gut abschnitt. Ich war persönlich vertraut mit vielen dieser Krankheiten, und es interessierte mich. Die Auszeichnung, die ich dafür bekam, stärkte mein Vertrauen
und sorgte in der Klasse für einen gewissen Status und Akzeptanz. Danach stellte ich meine Berufswahl nicht mehr infrage.
Trotz meiner Freude am Medizinstudium fehlte mir doch der jugendliche Schwung. In der Schule war ich voller Zuversicht gewesen, aber die Ordensgemeinschaft hatte mich gelehrt, an mir selbst zu zweifeln. Ich träumte davon, eine kompetente Landärztin zu werden, die operieren, anästhesieren, entbinden und mit jedem Notfall fertig werden konnte, aber ich war nicht in der Lage, diese Person zu werden. Ich war ängstlich, hielt mich in Kolloquien im Hintergrund und hoffte, der Tutor würde mich nicht auswählen, um etwas vorzuführen. Ich hatte Zweifel an meinem Können. Weil ich Angst hatte, dem Patienten durch meine Inkompetenz Schaden zuzufügen, kämpfte ich gegen meine religiöse Ausbildung und meine erlernte Hilflosigkeit an, aber die Selbstzweifel waren zäh. Ich hatte Schuldgefühle, wenn ich mit Freunden zum Essen ausging, und dachte dabei nur an die Geldverschwendung. Ich fand mich damit ab, Dinge, die ich brauchte, nicht zu besitzen. Als ich einmal einen Aufsatz zusammenzuheften versuchte, sagte ich mir: Jetzt geh doch um Himmels willen und kauf dir ein Heftgerät!
Am Ende meines ersten Jahres erhielt ich einen Brief von Mutter Teresa, in dem sie mir alles Gute wünschte und ihre Hoffnung ausdrückte, ich möge die vollen sechs Jahre bis zu meinem Medizinexamen durchhalten. Sie schrieb auch, es täte ihr leid, mich verletzt zu haben, indem sie meine Entscheidung, die Gemeinschaft zu verlassen, meinem Stolz zuschrieb. Sie habe damals das Gefühl gehabt, ich sei
zur MN berufen und würde dies wegwerfen, nur um meinen eigenen Willen durchzusetzen. Dieser Brief tat mir gut, denn er zeigte mir, dass Mutter von ihrer früheren Haltung abrückte. Aber dennoch verwirrte es mich, wieso die Situation hatte so schiefgehen können. Mutter war eine gute Frau. Sie versuchte gemäß ihrem Glauben das Beste, und ich hatte auch mein Bestes getan. Bei so viel gutem Willen hätte ich erwartet, dass mein Versuch, mit ihr ein Leben im Dienste der Armen zu führen, sich gut entwickeln würde, aber die überkommenen Strukturen einer älteren Form katholischen Ordenslebens und unsere unterschiedlichen Weltsichten hatten das Versagen zwangsweise herbeigeführt.
In meinem zweiten Jahr an der Uni wurde mir ein kleines Apartment im Rückgebäude eines Hauses in Milton angeboten. Die Besitzer waren sehr nett, und wir wurden gute Freunde. In ihrem Garten gab es viele Vögel und Opossums.
Meine Schwester Judy hatte das ganze Jahr über gespart und gab mir Weihnachten Geld, damit ich mir medizinische Lehrbücher kaufen konnte. Ich arbeitete als Putzfrau, als Hilfspflegerin und Spülkraft in Pflegeheimen, um meine staatliche Ausbildungsförderung aufzubessern, da meine Bücher teuer waren. Damals unterstützte die Regierung Menschen mit niedrigem Einkommen, damit sie studieren konnten. Während der letzten beiden Jahre meines Studiums wurde daraus ein Darlehen, das ich nach meinem Abschluss zurückzuzahlen hatte. Ich konnte mir ein Auto leisten, einen alten Galant für etwa tausend Dollar, den meine
Freunde das Sumpfmobil nannten, weil ich die rostigen Stellen mit Spachtelmasse zugekleistert hatte.
Für zwei meiner Pflichtwahlfächer im Ausland bekam ich Stipendien, um nach Samoa und in die
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