Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
nach dir.« Sie bat mich, bald wieder zurückzukommen.
Ich wusste, dass ich nicht zurückkehren würde. Erleichtert, von der strengen Reglementierung und Kontrolle befreit
zu sein, fühlte ich mich meistens euphorisch, wenn mich auch zu anderen Anlässen Leere und Einsamkeit überkamen. Es war, als wären die letzten elf Jahre meines Lebens einfach verschwunden. Ich stand wieder am Anfang. Es war nicht leicht, über das, was in den vergangenen elf Jahren passiert war, zu sprechen, denn es war eine so anders geartete Erfahrung. Nach den ersten paar Monaten jedoch ließ der Kontakt zum Orden nach, und obwohl ich meine Freundinnen in der Gemeinschaft, die Patienten und die anderen, mit denen ich zusammengearbeitet hatte, vermisste - weil sie mir einen Lebenssinn gegeben hatten -, dachte ich nie daran, zurückzukehren. In mir hob und senkte sich die Wutsäule wie der Grundwasserspiegel. Obwohl ich alles gegeben hatte, fühlte ich mich als Versagerin und machte mir Vorwürfe, charakterschwach zu sein und zu lange zu brauchen, um die eigene Stimme zu finden.
Aber ich hatte mich keiner verdächtigen Sekte, sondern einem katholischen Orden angeschlossen, gegründet von einer Nonne, die von der Kirche, die mich seit meiner Kindheit begleitete, als lebende Heilige eingestuft wurde. Sie war gesellschaftlich anerkannt und hatte 1979 den Friedensnobelpreis erhalten. Mutter war vertrauenswürdig, und ich war ihr auf die gleiche Weise gefolgt, wie ein Athlet die Befehle eines fordernden, aber talentierten Trainers befolgt, festen Glaubens, sie werde mich spirituell führen und mir dabei helfen, wenigstens einige Menschen aus der Sklaverei extremer Armut zu befreien. Doch ich verließ die Gemeinschaft desillusioniert und ohne Existenzgrundlage; dennoch war ich froh, nicht mehr der Anspannung, dem
Ärger und den Verletzungen ausgesetzt zu sein, die in einigen Häusern die Atmosphäre bestimmten, und fragte mich, wie ich das alles so lange hatte aushalten können. Von außen betrachtet, ergab es überhaupt keinen Sinn.
Meine Lehrerin der Tertianerzeit schrieb mir, dass die Tatsache, dass ich schon während dieser Zeit hatte aufhören wollen, aber dennoch blieb, ein Zeichen dafür sei, dass Jesus mich als Missionarin der Nächstenliebe haben wolle. Sie meinte, Gott könne seinen Willen umsetzen, indem er Pilatus, Herodes oder einen Pharisäer zu seinem Werkzeug machte, sofern ich nur mein Leben darbrachte, wie Jesus es getan hat. Sie sagte, Gott bitte mich, meine Pläne, Ärztin zu werden, aufzugeben, um eine einfache Helferin des Herrn zu sein. Sie bat mich darum zu sagen: »Ja, Herr.«
Doch sie argumentierten alle am Wesentlichen vorbei, ich verließ den Orden nicht, um Ärztin zu werden, aber wenn ich ihn verließ, dann musste ich etwas tun, und die Medizin hatte mich immer gereizt. Am 13. März 1984 schrieb ich an Mutter.
Meine liebste Mutter,
wie geht es dir? Wie du weißt, verließ ich mit deiner Erlaubnis Bourke am 9. Januar, und du gabst mir Zeit, bis zum April eine Entscheidung hinsichtlich meiner Gelübde zu treffen. Es steht bereits jetzt für mich fest, dass ich an meiner Bitte um einen Dispens festhalten werde, da es mir nicht möglich ist, mein Leben als MN fortzuführen. Ich habe viele Jahre lang gerungen und nur deshalb versucht, in diesem Leben durchzuhalten, weil ich glaubte, mich durch eine Abkehr von der Gemeinschaft vom Willen
Gottes loszusagen. In meiner Arbeit und in meinem Studium habe ich jedoch neue Freude und Frieden gefunden. Sag mir bitte, Mutter, wie ich vorgehen muss, um den Dispens zu erhalten.«
Unsere Briefe kreuzten sich. Mutter schrieb mir, sie sei sich sicher, dass der Teufel, »der Vater der Lügen«, alles daransetze, um meine Berufung zunichtezumachen, und dass ich meine Entscheidung aus Stolz getroffen hätte. Sie fragte mich, was es mir bringe, alle möglichen Titel zu erringen, aber meine Berufung, »eine Braut des Gekreuzigten« zu sein, dabei zu verlieren. Sie bat mich, zurückzukommen, und versprach mir, mich in diesem Fall nach Afrika zu schicken, wo das Leid der Menschen mir helfen würde, wieder nach Hause zu kommen.
Zehntausende starben 1984 während der Hungersnot in Äthiopien. 1972 hatte die Hungersnot in Biafra meinen Beitritt ausgelöst. Im Fernsehen sah ich die Schwestern, die inmitten der Leidenden arbeiteten, und dachte mir, ich sollte bei ihnen sein, aber ich konnte nicht zurück und gab stattdessen den größten Teil meines Verdienstes an die Initiative
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