Wenn Gottes Kinder schweigen - Livermore, C: Wenn Gottes Kinder schweigen - Hope Endures
Queensland. Mama, Judy und Matthew - mein kleiner Neffe - kamen zur Feier. Beim Abschluss-Dinner genossen wir alle einen wunderbaren Abend.
Anfang des darauffolgenden Monats begann mein Praktikum
als Ärztin am Toowoomba General Hospital. Während einer meiner ersten Nächte wurde ich in die Entbindungsstation gerufen, um ein Kind wiederzubeleben, das wie tot aussah, aber ich hatte Glück. Ich hatte auch Dienst, als die Opfer eines schweren Verkehrsunfalls eingeliefert wurden. Ein Mann war an einem Samstagnachmittag unterwegs gewesen, um den Freund seines Sohnes nach Hause zu bringen, als ein Sattelschlepper gegen seinen Wagen prallte. Beide Jungen waren etwa acht Jahre alt. Einer der beiden konnte nicht wiederbelebt werden; der andere hatte schwere Kopfverletzungen. Während sich ein erfahrener Arzt um den verletzten Jungen kümmerte, sah ich nach dem Vater.
»Mein Sohn?«, flehte er mich verzweifelt an.
Ich senkte meinen Blick. Der Mann verstand und fing an zu schluchzen. Der Tod hatte sein Leben erschüttert.
»Es ist doch nur ein verdammter Samstagnachmittag. Nur ein verdammter Samstagnachmittag«, wiederholte er. Er hatte den Rasen gemäht, war dann ins Auto gesprungen, und jetzt war sein Junge tot. Er konnte nicht glauben, dass die Welt sich an einem »verdammten Samstagnachmittag« so rapide verändert hatte.
Nachdem ich ihn untersucht hatte, ging ich zu der Kabine, in welcher der Fahrer des Sattelschleppers saß. Auch er war ein ganz gewöhnlicher Mann, der einer gewöhnlichen Arbeit nachging. Er war körperlich unverletzt, aber eine Unachtsamkeit für den Bruchteil einer Sekunde hatte viele Leben zerstört.
Als ich eines Tages auf der Chirurgiestation Visite machte, rief ein älterer Mann immer wieder: »Heilige Mutter Maria!«
Der Krankenhausarzt dachte, der Mann habe Wahnvorstellungen, aber ich erkannte ihn als einen der Männer, um die ich mich acht Jahre zuvor in Bourke gekümmert hatte.
1992, sieben Jahre nachdem ich den Orden verlassen hatte, besuchte ich erneut die Philippinen, um Schwester Regina wiederzusehen, zu der ich Kontakt gehalten hatte. Die meiste Zeit verbrachten wir gemeinsam. Ich half ein paar Tage im Kinderheim, und wir machten einen Ausfug zum prächtigen Vulkan Mayon, der im neunzehnten Jahrhundert ausgebrochen war und viele Menschen getötet hatte, und zu den Steinruinen an seinem Fuß. Leider hatte ich nur wenig Gelegenheit, mit Schwester Naomi zu sprechen, die in all den elf Jahren, die ich bei den MNs verbracht hatte, meine Freundin gewesen war.
Auf dem Heimweg nach Australien besuchte ich noch einmal Tondo und sah, dass die Tayuman Street noch chaotischer war als in meiner Erinnerung. Die Schwestern hatten expandiert und gegenüber der Kirche noch ein Haus dazubekommen. In einem kleinen Salon neben dem Tor hingen noch immer ein paar Fotos von mir an der Wand, die dazu dienen sollten, Berufungen zu ermutigen. Im Tahanan hießen die Mitarbeiterinnen mich willkommen und erinnerten sich noch der Kämpfe, die wir miteinander hatten, doch von meinen alten Patienten war keiner mehr da. Obwohl ich Tagalog nicht mehr flüssig sprechen konnte, verstand ich doch noch, was um mich herum geredet wurde. Als Schwester hatte ich mich in Manila zu Hause gefühlt, jetzt als Touristin kam ich mir vor wie eine verängstigte Ausländerin.
Nachdem ich meinen Dienst auf dem Land in Queensland absolviert hatte, zog ich hinunter an die Central Coast von New South Wales, wo meine Mutter und meine Schwester mit Familie lebten. Ich arbeitete für ein Diplom in Geburtshilfe am Gosford Hospital und begann dann meine Ausbildung als Allgemeinmedizinerin. Ich versuchte weiterhin, an das Evangelium zu glauben, das der Anker meines Lebens gewesen war, aber der Skandal wegen der weit verbreiteten Pädophilie innerhalb der Kirche verstörte mich so sehr, dass ich mich fragte, was unser Glaube und unsere Zeremonien wert waren, wenn sie zu Kindesmissbrauch führten.
Auch das Leid meiner Krebspatienten erschütterte meinen Glauben. Trotz der Fortschritte in der Medizin und der Palliativmedizin ließ sich das Leben für meine Patienten mit invasivem Krebs kaum erträglich gestalten. Ihre Nerven waren betroffen, anstelle ihrer Knochen hatten sie Tumoren, und ihre Organe versagten nach und nach ihren Dienst. Manchmal blieben als einzige Option die Verabreichung von Sedativa oder der Schmerz, und der Leidende konnte nur rufen: »Eli, Eli, lama asabtani?« … Das ist: »Mein Gott, mein Gott, warum hast
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